Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
es ist aus dem achtzehnten Jahrhundert.«
Seine Augen lächelten. »Tatsächlich?«
»Ich studiere Meeresarchäologie.« Ungeduldig schob sie eine Haarsträhne beiseite. »Vielleicht hat es dem Kapitän gehört.«
»Oder irgendeinem anderen Offizier«, konterte Matthew trocken. »Jedenfalls brauche ich mir in der nächsten Zeit über Bier und Shrimps keine Gedanken zu machen.«
Erschrocken fuhr sie auf. »Du willst es verkaufen? Du willst es einfach verkaufen? Für Geld?«
»Bestimmt nicht für bunte Muscheln.«
»Interessiert dich denn gar nicht, woher es kommt oder wem es gehörte?«
»Nicht wirklich.« Matt drehte den sauberen Teil des Griffs der Sonne zu und beobachtete, wie er im Licht glänzte. »In Saint Bart’s gibt es einen Antiquitätenhändler, der mir einen guten Preis macht.«
»Das ist schrecklich. Du bist ein …« Tate suchte nach der schlimmsten Beleidigung, die sie sich vorstellen konnte. »… Ignorant.« Blitzschnell sprang sie auf die Füße. »Es einfach so zu verkaufen! Schließlich könnte es dem Kapitän der Isabella oder der Santa Marguerite gehört haben. Vielleicht ist es ein historischer Fund und gehört in ein Museum!«
Amateure, dachte Matthew entnervt. »Es gehört dahin, wohin ich es bringe.« Er stand auf. »Ich habe es gefunden.«
Tates Herz setzte aus bei dem Gedanken, dass das Schwert in einem verstaubten Antiquitätenladen landen könnte
oder – noch schlimmer – von einem unbedarften Touristen gekauft und womöglich an der Wand seines Hobbyraums aufgehängt werden würde.
»Ich gebe dir hundert Dollar.«
Er grinste. »Du Rotschopf, allein für den eingeschmolzenen Griff würde ich mehr bekommen.«
Die Vorstellung ließ sie erblassen. »Das würdest du nicht tun. Das könntest du garantiert nicht.«
Als er herausfordernd seinen Kopf auf die Seite legte, biss sie sich auf die Lippe. Dann würde die Stereoanlage für ihr Zimmer im Studentenwohnheim eben warten müssen. »Zweihundert. Mehr habe ich nicht gespart.«
»Da versuche ich es doch lieber in Saint Bart’s.«
Tates Wangen bekamen wieder Farbe. »Du bist ein schrecklicher Opportunist.«
»Da hast du Recht. Und du bist eine Idealistin.« Als sie sich mit geballten Fäusten und funkelnden Augen vor ihm aufbaute, musste er lächeln. Über ihre Schulter hinweg konnte er auf dem Deck der Adventure eine Bewegung ausmachen. »Auf Gedeih und Verderb, Rotschopf. Sieht ganz danach aus, als ob wir fortan Partner wären.«
»Nur über meine Leiche.«
Matt packte sie an der Schulter. Einen Augenblick lang glaubte sie, er wolle sie über Bord werfen. Aber er drehte sie nur um, damit sie das Boot ihrer Eltern sehen konnte.
Schweren Herzens musste sie zur Kenntnis nehmen, wie ihr Vater und Buck Lassiter sich die Hände schüttelten.
Zweites Kapitel
E in strahlender Sonnenuntergang zog in Gold- und Rosaschattierungen über den Himmel und verschmolz mit der See, gefolgt von einer für die Tropen typisch kurzen Dämmerung. Kurz darauf drangen von Bord der Sea Devil die kratzigen Klänge eines Transistorradios, das mit den harten Reggaerhythmen eindeutig überfordert war, über das stille Wasser herüber. Der Duft von gebratenem Fisch lag in der Luft, doch das vermochte Tates Stimmung kaum zu heben.
»Ich kapiere nicht, warum wir Partner brauchen.« Sie stützte ihre Ellenbogen auf dem schmalen Tisch in der Kombüse auf und runzelte hinter dem Rücken ihrer Mutter die Stirn.
»Dein Vater hat nun einmal einen Narren an Buck gefressen.« Marla streute gemahlenen Rosmarin in den Topf. »Es tut ihm gut, einen Kumpel in seinem Alter um sich zu haben.«
»Aber er hat doch uns«, murmelte Tate.
»Natürlich hat er das.« Marla lächelte ihr über die Schulter zu. »Aber Männer brauchen nun einmal Männer zur Gesellschaft, Schatz. Hin und wieder müssen sie einfach fluchen und laut rülpsen dürfen.«
Bei der Vorstellung, dass ihr Vater mit seinen perfekten Manieren so etwas tun könnte, entfuhr Tate ein Schnauben.
»Die Sache ist die: Wir wissen nichts über die beiden. Sie sind einfach in unserem Gebiet aufgekreuzt.« In Wahrheit hatte sie die Sache mit dem Schwert immer noch nicht verwunden. »Dad hat Monate damit zugebracht, die Geschichte
der Wracks zu recherchieren. Warum sollten wir den Lassiters vertrauen?«
»Weil sie Lassiters sind«, verkündete Ray, der sich gerade in die Kombüse schwang. Er bückte sich und küsste Tate schmatzend auf den Kopf. »Unsere Tochter ist von Natur aus misstrauisch, Marla.«
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