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Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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diese zu schauen. Es ließ einen fast schaudern.
    »Fühlen Sie sich besser?«, fragte sie mit dieser rauen Altstimme, die eine Leidenschaft verhieß, von der ihre Augen sagten, dass sie sich nicht sicher war, ob es sie noch gab.
    »Ja.« Er bemerkte, dass es im Salon still war, dass alle zuhörten. In Wahrheit hämmerte es in seinem Schädel, und seine Schulter durchbohrte ihn mit Schmerz, wann immer er sich bewegte. Er musste von dieser Soiree wegkommen, bevor er sich in die peinliche Lage brachte, mitten im Salon der Gräfin Lente ohnmächtig zu werden. Dennoch konnte sich seine Schwäche zu seinem Vorteil wandeln lassen. »Eine alte Wunde«, murmelte er. Sollten sie doch den Ruf, der ihm vorauseilte, noch weiter ausschmücken. Sie mussten nicht wissen, dass die Verletzung erst neun Tage alt war.
    »Langley«, sagte Southey mit Missbilligung, »irgendein Ehemann wird Sie noch mal umbringen.« Southey sah langweilig aus durch diese gewisse Glattheit, die ihm zu eigen war.
    »Sie als Poet müssen ja an die Zwangslagen der Liebe glauben«, sagte John gedehnt.
    »Das tue ich.« Southey runzelte die Stirn. »Aber nicht an die Art von Liebe, die Sie praktizieren.«
    »Und welche Art Liebe ist das?«, unterbrach die Gräfin. Sie ließ sich in unbekümmerter Herausforderung wieder auf dem Sofa nieder und zog die Augenbrauen hoch.
    »Die Art, bei der das Herz nicht beteiligt ist«, entgegnete Southey angespannt.
    »Ah, Mr. Southey, Sie tun mir unrecht. Mein Herz ist immer beteiligt.«
    »Dann kennt Ihr Herz die wahre Liebe nicht.«
    John verlor seine gelassene Contenance nicht. »Ihre wahre Liebe, nun, was ist das? Sie werden sagen, sie verwandelt, macht größer.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber vielleicht erfordert es eine eingeschränkte Sichtweise, um sich so intensiv auf eine Person zu konzentrieren, dass man keine Fehler an ihr sieht. Mein Blick geht mehr in die Breite, Mr. Southey. Vielleicht sehe ich die Liebe wahrhaftiger, als Sie es tun.«
    »Sie haben beide recht. Liebe macht blind. Aber dieser Zustand dauert nicht ewig«, stimmte die Gräfin zu. »Das allein bringt einen dazu, wieder und wieder danach zu suchen, nach diesem kurzen Moment der Veränderung – eine Sucht, in der Tat. Sind Sie ein Süchtiger, Langley?«
    »Nein.« Er sollte es dabei belassen. Was sollte ihn schon dazu veranlassen können, dies vor dieser armseligen Schar näher auszuführen? »Das würde bedeuten, dass beide an die Macht der Liebe glauben, etwas zu verändern, und an eine Schwäche, die ich nicht akzeptiere. Ich suche das Vergnügen. Nach mehr verlangt mein Herz nicht.« Glaubte er das? Oder war es die Katastrophe, die ihm vor zwanzig Jahren widerfahren war, die ihn so reden ließ? Auf jeden Fall erzeugte diese Antwort das angemessene Aufsehen. Ein Raunen ging durch die Menge.
    »Wenn die Rede auf die wahre Liebe kommt, ist es Zeit, den Abend zu beenden«, erklärte die Gräfin und erhob sich. Sie klatschte in die Hände. »Die Kutschen, Gentlemen. Die Dienstboten werden sich um Sie kümmern.«
    Es folgte der allgemeine Aufbruch. Offensichtlich waren die Herren an diese Art von kurz angebundenem Platzverweis gewöhnt. Die Gräfin murmelte freundliche Worte über Lippen, die sich zum Abschiedskuss über ihre Hand beugten. Reiche junge Müßiggänger, wichtige Politiker, Künstler, Schreiberlinge, ein Architekt und ein Admiral, alle defilierten vorbei, um ihren Respekt zu bezeugen. Sie waren wie berauscht, obwohl einige es hinter ihrer Höflichkeit verbargen. Auch John erhob sich, um zu gehen.
    »Soll ich Sie in meiner Kutsche mitnehmen, Langley?«, fragte Melford. »Sie sehen nicht gerade standfest aus.«
    »Lord Langley sollte erst wieder zu Kräften kommen, bevor er geht«, sagte Lady Lente. In ihren Augen lag unmissverständlich eine Absicht. Mit drollig anmutender Intensität fiel Blendon die Kinnlade nach unten.
    »Wie Sie wünschen.« John nickte und ließ sie so wissen, dass es ihr Befehl war, dem er gehorchte, nicht seinem eigenen Wunsch. Vielleicht wäre er auch von sich aus geblieben. Die Gräfin würde eine erfahrene Bettgenossin sein. Seinen Ruf würde es gewiss festigen, und ihren auch, was sie vermutlich wusste. Aber in diesen Tagen ließ er sich auf keine Affäre ein, und er wagte es auch nicht, seine Wunde zu enthüllen. Er konnte die gewünschte Wirkung einfach allein dadurch erreichen, dass er noch einen Moment hier verweilte. John schloss kurz die Augen. Was würden diese Burschen denken, wenn

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