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Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Galbraith
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bemerkte niemand, dass Sie sich in der Wohnung versteckten, nicht wahr?
    Ich nehme an, dass während der vielen Stunden, die Sie in all diesem Luxus warteten, der Gedanke an einen Mord in Ihnen aufzukeimen begann. Haben Sie irgendwann begonnen, sich auszumalen, wie schön es wäre, wenn Lula, die doch bestimmt kein Testament aufgesetzt hätte, nicht mehr da wäre? Ihnen muss klar gewesen sein, dass Ihre kranke Mutter viel leichter zu erweichen wäre, wenn Sie ihr letztes lebendes Kind wären. Und das allein war bestimmt ein fantastisches Gefühl, habe ich recht, John? Die Vorstellung, endlich, endlich das einzige Kind zu sein? Nie mehr hinter einem besser aussehenden, liebenswerteren Geschwister zurückstehen zu müssen?«
    Selbst in der sich senkenden Dunkelheit konnte er Bristows vorstehende Zähne und den bohrenden Blick seiner schwachen Augen ausmachen.
    »Sie konnten Ihre Mutter noch so sehr umgarnen und ihr den liebenden Sohn vorspielen – Sie standen bei ihr nie an erster Stelle, habe ich recht? Ihr Herz hatte immer Charlie gehört, nicht wahr? Jeder hatte ihn lieber, selbst Onkel Tony. Und als Charlie nicht mehr da war, als Sie sich endlich Hoffnungen machen konnten, auch einmal im Mittelpunkt zu stehen, was geschah da? Da tauchte Lula auf, und alle sorgten sich fortan nur noch um sie, schauten nur auf Lula und vergötterten sie. Ihre Mutter hat nicht einmal ein Foto von Ihnen an ihrem Sterbebett. Nur Fotos von Charlie und Lula. Nur die Bilder der beiden Kinder, die sie wirklich liebte.«
    »Ich scheiß auf Sie«, knurrte Bristow. »Ich scheiß auf Sie, Strike! Was wissen Sie schon, Sie mit dieser Hure von Mutter? Woran ist sie gleich wieder gestorben, an Syphilis?«
    »Wie nett«, kommentierte Strike anerkennend. »Ich wollte Sie ohnehin fragen, ob Sie sich über mein Privatleben schlaugemacht haben, als Sie auf der Suche nach einem Einfaltspinsel waren, den Sie nach Herzenslust manipulieren konnten. Ich wette, Sie haben geglaubt, nachdem auch meine Mutter jung und unter ungeklärten Umständen gestorben war, hätte ich besonders großes Mitgefühl mit dem armen trauernden John Bristow, oder? Sie dachten, mit mir hätten Sie ein leichtes Spiel … Aber egal, John. Wenn Ihre Verteidiger nicht auf eine psychische Störung plädieren können, dann werden sie bestimmt damit argumentieren, dass Ihre Kindheit an allem schuld sei. Ungeliebt. Vernachlässigt. Immer im Schatten eines anderen. Immer mit dem Gefühl, benachteiligt worden zu sein, nicht wahr? Das ist mir gleich bei unserer ersten Begegnung aufgefallen, als Sie bei der Erinnerung, wie Lula die Auffahrt hinauf in Ihr Zuhause, in Ihr Leben gebracht wurde, vor Rührung in Tränen ausbrachen. Ihre Eltern hatten Sie nicht einmal mitgenommen, als sie Lula abholten, habe ich recht? Sie mussten zu Hause warten wie irgendein Haustier – der Sohn, der ihnen nicht genügte, nachdem Charlie gestorben war; der Sohn, der schon wieder hintanstehen musste.«
    »Das muss ich mir nicht anhören«, flüsterte Bristow.
    »Sie können jederzeit gehen«, sagte Strike und versuchte, die Augen in den tiefen Schatten hinter Bristows Brillengläsern zu erkennen. »Warum sind Sie überhaupt noch hier?«
    Aber der Anwalt blieb stumm auf seinem Stuhl sitzen, wippte mit dem Knie und rang weiter die Hände, als wollte er Strikes Beweisführung um jeden Preis hören.
    »War es beim zweiten Mal einfacher?«, fragte der Privatdetektiv leise. »Fiel es Ihnen leichter, Lula umzubringen, als damals Charlie?«
    Er sah die bleichen Zähne aufleuchten, als Bristow den Mund aufklappte, aber er hörte keinen Laut.
    »Tony weiß, dass Sie damals Ihre Hände im Spiel hatten, nicht wahr? Dieser ganze Bockmist über seine gefühllosen Kommentare, nachdem Charlie gestorben war. Tony war da, er war im Steinbruch; er sah, wie Sie mit dem Rad von der Stelle wegfuhren, wo Sie Charlie in den Tod getrieben hatten. Haben Sie Charlie so lange angestachelt, bis er zu nah an den Rand fuhr? Ich kannte Charlie: Einer Mutprobe konnte er nie widerstehen. Tony sah Charlie im Steinbruch liegen und eröffnete Ihren Eltern daraufhin, dass Sie seiner Meinung nach die Schuld an seinem Tod trugen, nicht wahr? Darum hat sich Ihr Vater mit ihm geprügelt. Darum fiel Ihre Mutter in Ohnmacht. Darum durfte Ihr Onkel nach Charlies Tod nicht mehr ins Haus: nicht weil er behauptet hatte, Ihre Mutter setze ihren Kindern keine Grenzen, sondern weil er ihr erklärt hatte, dass sie einen Psychopathen heranzog.«
    »Das ist …

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