Der Ruul-Konflikt 3: In dunkelster Stunde
notdürftig versorgt werden konnten. Auf Lazarettschiffe konnte man sie erst verfrachten, wenn die Bedrohung durch ruulanische Schiffe und Jäger beendet war.
Fletchers Gesicht war aschfahl. Das Grauen, das jeden ihrer Schritte begleitete und immer furchtbarere Ausmaße annahm, hinterließ seine Spuren in der Seele des jungen Mannes. MacIntyre hoffte nur, dass Fletcher die nächsten Stunden überleben würde, um die Möglichkeit zu bekommen, seine seelischen Wunden auch zu heilen.
Sie erreichten den äußeren Rand des frisch eroberten Grabens Nummer vier. Man hatte provisorische Rampen aufgestellt, über den die Soldaten zum Sturm auf ihr Ziel ansetzen sollten.
»Jetzt ist es also so weit«, flüsterte Fletcher etwas mitgenommen.
»Ja.«
»Wie weit ist Nummer drei von hier entfernt? Ich meine, wie weit müssen wir über offenes Terrain?«
MacIntyre dachte kurz nach. »Vielleicht fünfhundert Meter, wenn’s hochkommt. Maximal.«
Was er allerdings verschwieg, fünfhundert Meter stellten eine enorm weite Entfernung dar, wenn auf der anderen Seite Gegner aus allen Rohren auf sie schossen. Die militärische Doktrin sagte, eine stark befestigte Stellung müsse man mit mindestens fünffacher Übermacht angreifen, um realistische Erfolgsaussichten zu haben. Zehnfach war natürlich noch besser. Er fragte sich, wie viele Slugs inzwischen den eroberten Schützengraben besetzten. Sicherlich eine Menge.
»Lauf nie mehr als drei oder vier Sekunden geradeaus«, wies er seinen Schützling an. »Lauf Zickzack. So oft und so schnell wie möglich. Die beste Möglichkeit, am Leben zu bleiben, ist, ein möglichst schwieriges Ziel zu bieten. Hast du verstanden?«
»Ja, Sarge.«
Der Marine vor ihm hatte ihnen offenbar interessiert zugehört, denn plötzlich drehte er sich um und fing an, auf Fletcher einzureden.
»Das wird ein Kinderspiel, Junge. Fünfhundert Meter sind nicht sehr weit. Wir rennen einfach rüber und jagen die Slugs mit ein paar Granaten raus. Wird alles ein Kinderspiel. Wirst schon sehen.« Der Marine grinste dümmlich und entblößte dabei ein Gebiss, dem zwei untere Vorderzähne fehlten.
Hätte die Maske nicht MacIntyres halbes Gesicht verdeckt, wäre dem Marine das wutverzerrte Gesicht des Sergeants aufgefallen und er hätte überlegt, ob er vielleicht zu weit gegangen wäre.
»Dreh dich wieder um und kümmer dich um deinen eigenen Scheiß, du dämliches Arschloch!«, fachte er den Mann an, der nur verständnislos zurückgaffte angesichts solcher Feindseligkeit.
»Wollte nur helfen. Sieht doch ein Blinder, dass der Junge die Hosen voll hat.«
»Was er jetzt braucht, ist sicher nicht so ein selten dämliches Gequatsche.«
Der Marine drehte sich beleidigt wieder um und ersparte sich jeden weiteren Kommentar. Das war sein Glück, denn MacIntyre hätte jedes weitere Wort sehr schnell und äußerst nachdrücklich unterbunden. Und am Ende hätten dem Kerl weit mehr gefehlt, als nur zwei Zähne im Unterkiefer.
MacIntyre kochte noch immer vor Wut. So einen Angriff zu führen, war schlimm genug. Aber den jungen und unerfahrenen Soldaten einzureden, es würde ein Kinderspiel werden, war grob fahrlässig. Schlimmer noch, es grenzte an Mord. Nach solchen Äußerungen war es keine Seltenheit, dass die jüngsten Soldaten zu wagemutig oder einfach zu nachlässig wurden. Sie waren die ersten, die starben. Schließlich waren die Friedhöfe voll von jungen, unerfahrenen Soldaten.
Über ihnen donnerte es und MacIntyre blickte verwirrt nach oben. Fing es jetzt auch noch zu regnen an? Aber statt der erwarteten Gewitterwolken rasten in schneller Folge mehrere Dutzend Spectre über sie hinweg, gefolgt von etwa dreißig Anacondas. Parallel dazu fing das Trommelfeuer der Artillerie an, das Granaten über die Köpfe der eigenen Truppen und auf die feindlichen Stellungen regnen ließ.
Ein weiteres Mal knackte es in MacIntyres Ohren.
»Vorwärts!«, kam der Befehl zum Angriff. Die zum Sturm aufmarschierte Streitmacht setzte sich in Bewegung und die ersten Soldaten erklommen die Rampen, um offenes Gelände zu erreichen. Nahezu zeitgleich setzte das ruulanische Feuer ein. Marines und TKA-Soldaten wurden getroffen und rücklings die Rampe hinuntergeschleudert. Doch der Strom, der eingesetzt hatte, war nicht mehr aufzuhalten.
Als MacIntyres Trupp endlich an der Reihe war, war der Angriff auf den ruulanisch besetzten Schützengraben längst im Gange. Seinem eigenen Ratschlag folgend, jagte der Sergeant Major im Zickzack über das
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