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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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geschaltet hatte. Plötzlich knäulten sich wild gestikulierende Menschen an einem Punkt zusammen, wichen kurz darauf zurück, ließen einen Platz frei, auf dem eine Gestalt lag; die Kamera zoomte auf nah, so daß man den Toten deutlich sehen konnte: ein kleiner alter Mann mit verzerrtem Gesicht und gebrochenen Augen. Dann wurde umgeschaltet; ein Jäger, deutlich erkennbar an den orangefarbigen und blauen Streifen, die seine Lizenz bekundeten, glotzte in die Kamera. »Das war er nicht«, sagte er lakonisch. Der Spielleiter kam ins Bild. Josefson machte ein betroffenes Gesicht.
    »Wir machen eindringlich darauf aufmerksam«, sagte er, »daß nur die lizenzierten Jäger berechtigt sind, das Wild zu jagen. Die Spielleitung fordert alle Freunde von GAME-GAME zu Ruhe und Mäßigung auf, sie bittet aber auch alle Kleinwüchsigen, in den nächsten Tagen die Öffentlichkeit zu meiden, um Verwechslungen auszuschließen.«
    »Heute vormittag«, schaltete sich der Moderator ein, »kam es schon einmal zu einem tragischen Zwischenfall: In Chicago wurde ein Liliputaner, der im ›Nebraska‹ als Liftboy arbeitete, verdächtigt, Timothy Truckle zu sein. Er stürzte bei der Verfolgungsjagd auf die Gleise der Metro und wurde überfahren.«
    »Diese Schweine !« schrie Timothy. »Diese elenden Schweine!« Er schaltete das Gerät aus und trat auf die Plattform. Armer Bud. Er starrte lange in den sternenklaren Himmel. Stille Nacht, heilige Nacht, schoß es ihm durch den Sinn. Gott gnade den Zwergen, dachte er verzweifelt. In diesem Jahr würde es keine Cinderella-Shows und Zwergenparaden mehr geben, und die Weihnachtsmänner würden allein durch Straßen und Häuser ziehen müssen; nicht einmal einem Kind konnte man zumuten, sich als Zwerg zu verkleiden, solange die wilde Meute losgelassen war.
    Ein fiebriger Schauer lief durch seinen Körper. Seine Stirn war glühend heiß. Timothy schleppte sich ins Bad. Das Bein sah schlimm aus, geschwollen, scharlachrot entzündet, mit großen Blasen und eitrigen Bränden. Er holte die Whiskyflasche, setzte sich in einer Ecke auf den Boden, preßte den Rücken fest gegen die Wand, biß die Zähne zusammen und wusch die Wunden mit Whisky aus. Der Schmerz ließ ihn laut aufschreien. Dann kroch er auf allen vieren hinaus, mühsam wälzte er sich in einen Stuhl.
    Niemand braucht dich zu jagen, dachte er noch, du verreckst auch so, dann schwanden ihm die Sinne.
    7.
    Zweimal wurde er wach, die Sonne stand schon hoch, doch Timothy fühlte sich viel zu schlapp, um aufzustehen, er dämmerte gleich wieder ein. Wilde Träume plagten ihn, er wurde durch nicht enden wollende Straßen gehetzt, stürzte steile Treppen hinunter, Bomben explodierten rundum, aber er wurde nicht getroffen, wütende Menschen jagten hinter ihm her, gepanzerte Festungen, Hunde, Schlangen, riesige Tiger, Schwärme von Vögeln mit gierigen, spitzen Schnäbeln, er fiel ins Bodenlose, immer wieder. Als Timothy zum dritten Mal zu sich kam, nahm er alle Kraft zusammen. Er brauchte Hilfe, einen Arzt. Er glühte und fror, der Mund war ausgedörrt, die Zunge pelzig und dick. Es gelang ihm, den Stuhl zum Tisch zu dirigieren und eine Dose Wasser zu öffnen. Dann fuhr er zum Communicator. Professor Paddington, so erfuhr er von einer teilnahmslosen Automatenstimme, sei über die Feiertage in den Bergen und nicht zu erreichen. Timothy weinte vor Verzweiflung. Damit war seine letzte Hoffnung gestorben.
    Plötzlich vernahm er Geräusche. Jemand war in der Diele! Timothy richtete den Rayvolver auf die Tür, wartete schweratmend, nahm den Rayvolver in die linke Hand, ließ den Stuhl zur Wand gleiten und entsicherte mit der rechten Hand die Bombe. Die Tür ging auf. Coats starrte ihn an, nahm langsam die Hände hoch. »Sie, Mister Truckle?«
    Timothy rutschte zur Seite, der Rayvolver fiel polternd zu Boden, Coats stürzte hinzu und fing Timothy auf.
    »Wasser!« lallte Timothy. »Die Tabletten, dort –«
    Timothy schluckte drei Schmerzblocker, Kreislauftabletten und die beiden letzten Speeds, dann sank er erschöpft zurück. Coats blickte unentschlossen zum Communicator.
    »Warten Sie!« krächzte Timothy. »Ein paar Minuten, bitte, ich flehe Sie an!«
    Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis die Medikamente wirkten und Timothy die Augen wieder aufschlug. Er ließ den Arm hängen und versuchte, unauffällig den Rayvolver zu angeln.
    »Nicht nötig, Mister Truckle«, sagte Coats. »Ich will Ihnen nur helfen; Sie brauchen sofort einen Arzt.«
    »Kennen Sie

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