Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
eine Privataktion der Brookers. Abraham Bentley hatte sehr abfällig über die Brookers gesprochen. Glücklicherweise hatte er die Nummer im Gedächtnis. Früher, dachte er, kannten die Leute Dutzende von Nummern und Adressen auswendig, heute verläßt man sich auf seine Automaten und ist nur allzu leicht verlassen.
Inger, so erfuhr er, warte in Winnemucca auf Mister Truckle. Hoffentlich fällt sie nicht dem Jagdkommando in die Hände, dachte Timothy; eine Geisel als Lockvogel würden die gewiß nicht verachten. Er bat, Bentley zu melden, daß Philip Marlowe ihn sprechen möchte. Tatsächlich lockte dieser Name den Alten an den Apparat.
»Marlowe?« sagte er vergnügt. »Ich kann Sie nicht sehen. Sie rufen wohl aus den Ewigen Jagdgründen an?«
»Fast«, sagte Timothy. »Entschuldigen Sie bitte, Mister Bentley, wenn ich diesen Namen wählte, aber ich habe ein äußerst heikles Problem.«
»Sie brauchen mir nichts zu erklären«, unterbrach Bentley. »Ich habe Ihre Stimme erkannt. Sie sind der kleine Mann, der meine ›netten Huren‹ verschmähte, nicht wahr?«
»Können Sie mir helfen? Sie wissen doch, was los ist?«
»Sagen wir es so: Wenn Sie an meine Tür klopfen, werde ich Sie nicht abweisen, und der Gast ist mir heilig.«
»Könnte Inger mich abholen?«
»Sie sind nicht in Winnemucca?«
»Nein, in meinem Bau.«
»Tut mir leid. Inger hat mich auf Knien gebeten«, Bentley kicherte, »buchstäblich auf Knien – aber mehr als den Ausflug nach Winnemucca kann ich nicht zulassen, Sie verstehen?«
»Ich verstehe überhaupt nichts, Mister Bentley!«
»Ich weiß ja nicht, was Sie den Brookers getan haben, ich kümmere mich, wie Sie wissen, nicht mehr um so was, aber es hat eine Blitzumfrage unter den ›Unsterblichen‹ und eine Mehrheitsentscheidung gegeben. Niemand wird Ihnen helfen, zumindest keiner Ihrer Klienten, Mister Truckle.«
Als sein Name fiel, unterbrach Timothy die Verbindung. Also brauchte er auch niemanden sonst um Hilfe zu bitten. Also Punkt zwei: vom »Nebraska« ablenken.
In den nächsten Stunden baute Timothy fleißig Attrappen. Die Auskunftsdatei des Geheimdienstes lieferte die nötigen Rufnummern, und nach etlichen Dutzend vergeblichen Versuchen gelang es Timothy sogar, über die Direktverbindung zwischen dem NSA-Hauptquartier und dem Zentralen Bankcomputer zwei Kontenbewegungen zu manipulieren. Danach hatte er angeblich gestern vormittag bei der Filiale der »Bank of Missouri« in Jefferson zehntausend Dollar in bar abgehoben, und seine Bank bekam den Auftrag, 1632 Dollar an eine Helicopter-Werkstatt in Hearne, einer einsamen Touristenstation in den Laramie Mountains, zu überweisen, deren Communicator-Anschluß Timothy gleichzeitig sperren ließ, weil der Inhaber angeblich mit Zahlungen im Rückstand war. – Man durfte sich doch wohl darauf verlassen, daß die Beamten auf das Bankgeheimnis pfeifen würden, sobald sein Identicat auftauchte. Wenn seine Nummer nicht schon automatisch der NSA gemeldet wurde.
Außerdem würden morgen aus allen Orten mit weniger als zehntausend Einwohnern Meldungen bei der Medikamentenzentrale in Omaha eintreffen, daß unter dem Identicat von Timothy Truckle im Arzneiautomaten Schmerztabletten bezogen worden wären. Timothy war sehr mit sich zufrieden.
»Die moderne Technik ist doch etwas Wunderbares«, sagte er. »Ein Computer kann nicht nur Ordnung in ein Chaos bringen, er kann auch Ordnung in ein Chaos verwandeln.«
Der Clou aber war eine Mahnung, die morgen Mister Truckle ins Haus flattern würde, er solle die Gebühren für die LOVE YOU-Heiratsvermittlung überweisen. Wenn jemand der Spur nachging, würde er auf eine Anfrage stoßen, die Timothy angeblich vor fünf Wochen gestellt hatte, und die Datei von LOVE YOU würde jetzt auch nahezu tausend Namen von Frauen ausspucken, die Timothy damals bekommen haben sollte, kreuz und quer über die USA verteilte Adressen. Sollte man doch nachforschen, ob er bei einer der Damen Unterschlupf gefunden hatte; wer sich so gut mit dem Geheimdienst stand, daß er eine Pute von CHALLENGERS als Weihnachtsgratifikation erhielt, dem durfte man solch eine Unbill wohl zumuten.
Dann rief Timothy Devlin an. Es war zwar schon reichlich spät geworden, aber an einem Tag wie diesem würde sein »persönlicher Betreuer« wohl Überstunden machen. Devlin zuckte mit keiner Miene. Hatte er auf den Anruf gewartet? Timothy tat, als könne er ihn auch nicht sehen.
»Sind Sie es, Mister Devlin?« rief er, und er legte einen Ton
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