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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Zustand!«
    »Doch, morgen nachmittag. In der Stoßzeit wird es am wenigsten auffallen, denke ich mir, zumal am Heiligen Abend.« Timothy schmunzelte. »Der Tag, an dem Jesus Christus geboren wurde, scheint mir denkbar geeignet, Timothy Truckles Erdenwandel zu beenden.«
    8.
    Timothy war längst fertig mit der Maske, als Coats kam. Er hatte sich den Schädel rasiert, die Brauen gestutzt, mit Batteriesäure die Haut zwischen Oberlippe und Nase geätzt, das brannte zwar höllisch, doch am Ende sah es wie eine nicht besonders kunstfertig operierte Hasenscharte aus. Kunststoff in Nasenlöchern und Wangen hatte die Nase knubbelig dick und das Gesicht völlig unsymmetrisch gemacht. Coats starrte Timothy fassungslos an.
    »Wenn Sie nicht so klein wären«, sagte er, »ich würde denken, ein Fremder steht vor mir.«
    »Die Figur ändere ich gleich«, antwortete Timothy mit dumpfer, heiserer Stimme. »Geben Sie mal die Kleider ’rüber.«
    Coats sah staunend zu, wie Timothy sich »verlängerte«, die Hosenbeine und Schuhe ausstopfte und mit Kissen und einer darüber gezurrten Decke den Stuhl so zurechtmachte, daß Timothy, als er nun probeweise Platz nahm, wie ein Mann von etwa einem Meter achtzig aussah. Dann trennte er die Ärmellöcher der Jacke ein wenig auf und polsterte die Schultern; wie die meisten Kleinwüchsigen hatte Timothy einen unverhältnismäßig kräftigen Oberkörper, er durfte nur nicht zu sehr mit den Armen hantieren.
    »Ich würde Sie nicht erkennen, wenn Sie mir so im Haus begegneten«, sagte Coats begeistert. »Aber wie wollen Sie die Technik überlisten, all diese Apparaturen –«
    »Das muß man nicht so ernst nehmen«, erklärte Timothy, »diese Spürautomaten funktionieren nur in relativ geschlossenen Räumen zuverlässig, und die optischen Kontrollen werde ich so schon bluffen. Wenn es mir gelingt, das ›Nebraska‹ unerkannt zu verlassen, habe ich so gut wie gewonnen, und Sie sagten doch, in der Eingangshalle sei nichts neu installiert, Buster.«
    »Ich bringe Sie ’raus«, versprach Coats. »Aber wohin wollen Sie dann?«
    Timothy sah ihn nachdenklich an. Ein unverdächtiger Begleiter wäre eine große Hilfe. Nein, zu viele waren schon seinetwegen gestorben. Er würde das Stück bis zur Ruine des Rohrpostamtes, wo heute abend ein Einstieg nach UNTEN geöffnet sein sollte, auch allein schaffen. Großpaketversand – bestimmt hatten die Techniker des UNDERGROUND die pneumatischen Leitungen aus der Zeit der Atomkriegsvorbereitungen wieder in Gang gesetzt, und die netzunabhängige, mit manuellen Pumpen betriebene Anlage war kaum anzupeilen.
    »Es wäre geradezu phantastisch, wenn Sie mich bis vor die Tür bringen wollten«, sagte Timothy, »aber denken Sie daran: Das kann lebensgefährlich werden.«
    »Ich werde nicht zulassen, daß man Sie wie einen räudigen Hund abknallt«, erwiderte Coats entschlossen, »schon gar nicht hier im ›Nebraska‹ und am Heiligen Abend! Wenn Sie wüßten, wie ich dieses GAME-GAME hasse.«
    Timothy bestand darauf, daß auch Coats einen Tranquilizer nahm, er selbst schluckte noch zwei, bevor sie loszogen, trotzdem spürte er, wie die Aufregung Besitz von ihm ergriff. Er mußte sich zwingen, ruhig und tief zu atmen, sein Herz schien zu rasen, obwohl er den Schrittmacher schon auf die niedrigste Stufe eingestellt hatte, seine Handflächen schwitzten, die Füße zitterten, vor allem das verletzte Bein zuckte unentwegt; er überzeugte sich noch einmal, daß die Beinattrappen ruhig lagen. Trotz des Rayvolvers, den er schußbereit unter der Decke hielt, hatte er das Gefühl, wehrlos ausgeliefert zu sein, und es fiel ihm unendlich schwer, regungslos im Stuhl zu liegen. Am liebsten wäre er auf der Stelle losgerannt. Zuerst zur Toilette. Ihm war, als müsse er jeden Moment in die Hose machen.
    Niemand beachtete sie, als sie in der Hunderteretage den Singlelift des Penthauses verließen und zum Expreß hinüberfuhren, nur die Etagenwache grüßte im Vorübergehen, Coats grüßte lächelnd zurück und wünschte den beiden Safemen ein frohes Fest. Der Expreßlift war nahezu leer, aber als er im dreihundertsten Stock anhielt, fuhr Timothy der Schreck in die Glieder: Chief Monroe stieg ein und mit ihm ein halbes Dutzend Beamter der Hauspolizei, die allesamt Timothy kannten.
    Coats machte seine Sache ausgezeichnet. Er schob den Rollstuhl an die Wand, als wolle er Platz machen, dabei rückte er ihn so, daß Timothys Kopf in die hintere Ecke kam. Coats trat zu den Polizisten, gab

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