Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
muß!«
»Ein Mann mit Ihrem Können und Ihrem Ruf?«
Timothy bestellte sich einen kleinen »King George« und musterte die Gäste. Niemand, der ihn interessierte. Und hoffentlich niemand, der sich für ihn interessierte! Wenn er schon auf DuMont warten mußte, dann wollte er wenigstens ungestört den Sonnenuntergang genießen. Die tiefstehende und nur noch kraftlos glimmende Scheibe färbte bereits die Gipfel der olivgrünen Wolkendecke apfelsinenrot; die Spitzen der Skyscraper, die als einzige durch die Wolken stachen, schienen zu glühen.
»Was ist mit Tom?« erkundigte sich Timothy.
»Oh, Tom!« Der Barkeeper machte eine verzweifelte Geste. »Wir bedauern es alle, Tiny. Wirklich, alle! Man hat ihm seine Lizenz nicht mehr verlängert. Es war seit langem schon der einzige Farbige, der nachts in einem weißen Distrikt arbeiten durfte.«
Das nächste Mal werde ich mich schwarz färben, dachte Timothy wütend. Er überlegte. Nein, rein braune und schwarze Tönungen waren nicht auf der Packung verzeichnet gewesen. »Ihr Whisky, Sir!« Melvin stellte ihm das Glas hin. »Exakt vierundzwanzig Grad.«
Timothy vertiefte sich in das abendliche Farbenspiel vor den Fenstern. Ein Mädchen schwang sich auf den Hocker nebenan. Timothy wollte sie gerade auffordern, sich woandershin zu setzen und ihm die Aussicht nicht zu versperren, da lächelte sie ihm zu. Sie war jung und schön; viel zu schön, um sie wegzujagen, und der Goldton ihrer Haut mußte ausgezeichnet zu seinem Teint passen. Sie beide nebeneinander, das würde selbst dem verwöhnten Auge eines DuMont auffallen.
»Mister Truckle, nicht wahr?« Für diesen Augenaufschlag hätte Timothy mehr als einen Sonnenuntergang hergegeben. »Ich muß mit Ihnen sprechen.«
»Sie müssen? Haben Sie etwa Probleme, die meiner Hilfe bedürfen?«
»Ich nicht. Mein Chef.«
Timothy winkte ab. »Tut mir leid, Miss –«
»Inger«, sagte sie. »Inger Johnston.«
»Ich kann im Moment keinen Klienten annehmen, Inger.« Timothy legte ein wenig Bedauern in seine Stimme.
»Mister Bentley hat mir den Auftrag gegeben, Sie unverzüglich zu ihm zu bringen. Abraham P. Bentley. Koste es, was es wolle. Das dürfen Sie ruhig wörtlich nehmen.« Sie sah Timothy in die Augen. Ihre Mimik ließ keinen Zweifel daran, daß sie nicht nur Geld meinte. »Ich verspreche Ihnen einen der geheimnisvollsten Fälle der Kriminalgeschichte.«
Abraham P. Bentley besaß mindestens soviel Macht und Einfluß wie DuMont, doch als Klient war der Chef der ALL-AMERICAN FOOD & BIO-ENGINEERING nicht halb soviel wert: Bentley war berüchtigt für seine Publicity-Feindlichkeit. »Ich habe alle Vollmachten und jede Rückendeckung«, beteuerte Inger. »Notfalls soll ich Sie kidnappen. Hauptsache, ich schleppe Sie an.«
»Geben Sie sich keine Mühe«, sagte Timothy. »Aber ich lade Sie gerne zu einem Glas ein. Ich finde, Ihr Teint paßt hervorragend zu meinem Blau. Ich wußte gar nicht, daß man solch ein Goldbraun mit Dermacolor –«
»Dermacolor?« Inger lachte schallend. »So ’nen Quatsch habe ich nicht nötig. Das ist Sonnenbräune.«
»Sonnenbräune?« Timothy starrte sie ungläubig an. »Wo auf diesem Planeten gibt es noch genügend Sonne für solch eine Farbe?«
»Bei uns in Seabridge«, erwiderte sie. »Seabridge in Kalifornien. Direkt am Pazifik. Jeden Morgen und jeden Abend reißt die Thermik die Wolken für ein paar Stunden auf. Überzeugen Sie sich selbst, Tiny. Sie sind herzlich eingeladen.«
»Wer weiß, wohin Sie mich wirklich schleppen. Ich liebe zwar Märchen, doch ich falle nicht auf sie herein. Die ganze Küste ist Sperrgebiet.«
»Nicht für Mister Bentley.«
»Wollen Sie etwa behaupten, daß Bentley wirklich direkt am Meer –?«
»Mit den Füßen im Wasser, sozusagen: Bentley-Cottage ragt zur Hälfte über den Strand hinaus. Man kann direkt vom Fenster aus angeln.« Sie öffnete den Reißverschluß ihrer bronzefarbenen Kombination. Nicht nur, um ihre bemerkenswerten Brüste zu zeigen, sie holte ein Foto hervor, auf dem sie an der Brüstung einer tatsächlich auf das Meer hinausragenden Villa zu sehen war. »Ich wußte, Sie würden Worten allein nicht glauben.«
Timothy besah sich das Foto sorgfältig. Sicher, es konnte auch eine geschickte Fälschung sein, andererseits war es nicht ausgeschlossen, daß es in dieser verrückten Welt noch immer Dinge gab, von denen er nicht einmal eine Ahnung hatte. Er gab das Foto zurück und winkte dem Barkeeper, er solle seinen Hocker
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