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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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konnte eine neue Novelle schreiben und die Japaner mit ihren seltsamen Sitten und Ritualen vergessen, Sex im Kimono und Selbstmord im Meer sollte irgendjemand anders schildern. Immerhin hatte sie Sax und Septima und Thanatopsis House, sie hatte Irving Thalamus und Laura Grobian – und Jane Shine war übers Wochenende nicht da. Nein, es gab keinen Grund zur Sorge, überhaupt keinen.
    »Wie es gelaufen ist?« Sie wiederholte seine Frage und griff nach einer Zigarette, fühlte sich dabei majestätisch, unerschütterlich, unversehrt, La Dershowitz, der aufsteigende Stern. Sie ließ sich einen Augenblick Zeit mit der Antwort, während Saxby im Türrahmen stand und die Strahlen der späten Sonne die Vorhänge in Gold tauchten, sodass sie wie massive Säulen aussahen. »Prima«, sagte sie dann. »Einfach prima.«
    Sonntags servierte Armand das Abendessen um sieben, manchmal auch etwas später, je nach seiner Laune und der Stimmung unter den Künstlern. Immerhin galt der Sonntag als Tag der Erholung, jedenfalls in Septimas Augen, und schon lange bevor sie den derzeitigen Küchenchef engagiert hatte, war der Zeitpunkt für Cocktails und das Abendessen am Tag des Herrn eine Stunde später angesetzt worden, sodass es mittlerweile Tradition auf Thanatopsis war. Die Sonntagnachmittage vergingen langsam und gemächlich, niemand rührte sich vor sechs, wenn sich allmählich die ersten Grüppchen von sonnenverbrannten Künstlern auf der Veranda oder im vorderen Salon zum Cocktail einfanden. Manchmal gab es Musik – eine Lyrikerin setzte sich ans Klavier, oder ein Biograf enthüllte sein verborgenes Talent auf der Klarinette und verzückte die Anwesenden mit dem Adagio aus einem Mozart-Konzert oder einem Gershwin-Medley –, und in den Gläsern und Cocktailshakern klickerten die Eiswürfel mit jenem rhythmischen Klang, der nach einem erschöpfenden, sonnenheißen Tag die reinste Erlösung ist.
    Es war kurz vor sieben, als Ruth zum Essen nach unten ging. Sie hatte sich abgeschrubbt und geduscht und nochmals abgeschrubbt, hatte sich von allen Überresten der Schweißschicht befreit, die am Nachmittag an ihr geklebt, ihre Poren verstopft und ihr das Gefühl gegeben hatte, schmutzig und verletzlich zu sein, während Abercorn sie mit seinem unfertigen Gesicht und seinen kumpelhaften Fragen bedrängte. Sie trug eine weiße, mit leuchtendblauen Blumen bestickte Bauernbluse aus Guatemala und einen dazupassenden weiten Rock, und als sie die Stufen hinunterging und durch die Eingangshalle schritt, fühlte sie sich leicht, luftig und strahlend, ja sie fühlte sich wieder ganz und gar unbesiegbar.
    Als sie den vorderen Salon betrat, saß Sandy am Klavier und streichelte die elfenbeinernen Tasten, als wären es Blütenblätter, spielte sich durch einen süßlichen Beatles-Song nach dem anderen. Die Melodien waren perfekte Rekonstruktionen von Tausenden von Erinnerungen, und dank dem dritten oder vierten Cocktail waren alle Anwesenden in recht gehobener Stimmung. Ruth trat durch die Tür und sah sie alle versammelt, ihre Freunde und Künstlerkollegen, ihre Gemeinschaft, ihre Familie, die sich auf Sofas und Ottomanen rekelten, an der Theke lehnten, jeder und jede ein erfreulicher, tröstlicher Anblick.
    Irving Thalamus rief als Erster ihren Namen aus, wie üblich – das war seine Art, er hielt seine Chuzpe wie einen Schutzschirm vor sich, die krähende Legende –, dann erhob sich ein Raunen im Raum, und alles strömte zu ihr, als hätte sie soeben das Zielband eines Marathonlaufs durchquert.
    »Du Schlauberger«, sagte Thalamus und schüttelte den legendären Kopf, »du gerissene Füchsin.« Und dann, indem er sich an die Übrigen wandte: »Na, kann sie ein Geheimnis für sich behalten oder nicht?« Er strahlte sie an, umarmte sie, drückte an ihr herum, als wäre sie eine exotische Frucht. »Das«, verkündete er, »ist eine Schriftstellerin. «
    Ruth drückte ihn auch, bedachte sie alle mit einem wissenden, wenn auch leicht zerknirschten Grinsen und wurde sogar ein klein wenig rot. Ina starrte sie ehrfürchtig an. Bobs Augen glänzten. Regina, die ein knappes Oberteil aus pfefferminzgrünem Leder trug und neuerdings Zigarren rauchte, sah von ihrem Patiencespiel auf, und Sandy brach mitten in »Fool on the Hill« ab, um über einen Barhocker zu flanken und Ruth einen spektakulären Martini zu mixen – nur ein Schuss Wermut und drei Oliven, genau wie sie ihn am liebsten hatte. Auch Clara und Patsy waren da, hielten sich eher am Rande des

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