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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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diesem Augenblick wurde ihr bewusst, dass sie Kopfschmerzen hatte. Ein winziger, summender Bohrer trieb sich durch ihren Schädel, von vorn nach hinten, von hinten nach vorn, unaufhörlich. »Sie können jetzt gehen, Miss Dershowitz«, sagte der Sheriff, und Ruth erhob sich und verließ den Raum wie in Trance. Zum Glück war die Eingangshalle leer.
    Sie schaffte es bis in ihr Zimmer, streifte die Kleider ab und ließ sich vom Ventilator im Fenster die verschwitzte Haut trocknen. Sie nahm ein Aspirin und zwei Schlückchen aus der kleinen Flasche mit Bourbon auf dem Nachttisch, daraufhin ging es ihr besser, wenn auch nur ein wenig. Jetzt erst dachte sie an Hiro. Er saß dort draußen in der infernalischen Hitze der alten Zelle, vor sich das Gefängnis, die Abschiebung und was immer die Japaner danach mit ihm anstellen würden. Sie dachte an das Massaker von Nanking, an den Todesmarsch von Bataan, an Alec Guinness in Die Brücke am Kwai , wie er aus dem glühend heißen Blechverschlag herauskommt, und dann warf sie sich mit dem Gesicht nach unten aufs Bett und massierte sich die Schläfen.
    Hiro. Armer Hiro. Immerhin hatte sie mit ihm geschlafen – aus Neugier, ja, und weil es damals gerade das Richtige gewesen war –, aber da war auch Gefühl. Wirklich. Es tat ihr in der Seele weh, dass er in der sengend heißen, stickigen Zelle saß, bedrängt von Abercorn und Turco mit ihrer obszönen, unersättlichen Wissbegierde. Es tat ihr in der Seele weh, wirklich, aber sie hatte selbst eine ziemliche Tortur hinter sich, und jetzt, in der Stille des Nachmittags, schloss sie die Augen und glitt in einen abgrundtiefen, reinen Schlaf.
    Sie erwachte von einem diskreten, zurückhaltenden Klopfen an der Tür. Es war fünf Uhr. Sie hatte einen schalen Geschmack im Mund – der Rückstand von Nikotin und Bourbon. »Ja?«, rief sie.
    Es war Saxby, der sie zum zweiten Mal an diesem Tag weckte. Diesmal hagelte es keine Vorwürfe. Diesmal strahlte und grinste er, war bis in die Haarwurzeln von jungenhaftem Überschwang erfüllt. »Ruth! Ruth!«, jubelte er schon an der Tür, und es klang wie das Bellen eines Hundes, und dann war er im Zimmer, auf dem Bett, ergriff ihre Hände und hielt sie fest.
    »Ruth!«, rief er noch einmal aus, als wäre sie jahrelang verschollen gewesen. Seine Augen glänzten. Er sah aus wie im Delirium. »Ruth!«, schrie er, obwohl er direkt neben ihr auf dem Bett saß. Er wollte nicht wissen, wie sie sich fühlte, wie sie das Verhör überstanden hatte, ob man sie, an einen Trupp Gattenschänder gekettet, ins Zuchthaus marschieren lassen oder an den Daumen aufhängen würde – er wiederholte nur ihren Namen, immer wieder. Sie fragte ihn, ob er etwas getrunken habe.
    »Getrunken? Quatsch, Blödsinn. Ruth!« – schon wieder – »Ruth!« – und noch einmal – »Ruth, Roy Dotson hat gerade angerufen!«
    Ja? Na und?
    »Er hat sie gefunden. Meine Zwergalbinos. Ich bin schon unterwegs.« Und dann sprang er vom Bett auf, trat von einem seiner großen Füße auf den anderen, fuchtelte mit den Armen und riss sich an den Ohren, als hätte er einen Tick.
    »Wirklich?« Jetzt grinste sie auch, fühlte sich gut, freute sich für ihn, obwohl ihr das ganze Getue wegen der Fische nach wie vor ein ewiges Rätsel war. Wieso Fische? wollte sie ihn immer fragen. Was war daran so reizvoll? Seehunde, das würde sie verstehen, Otter, von ihr aus das grünfüßige Teichhuhn – aber Fische? Das waren dumme Kaltblüter mit weit aufgesperrten Mäulern und blöde glotzenden Augen. Sie hasste Fische. Sie hasste Aquarien. Hasste Kescher und Netze, Kanus, Flüsse, Seen und Sümpfe, fand das alles grässlich. Aber wie er so im getüpfelten Licht der Spitzenvorhänge vor ihr stand und sie seine Aufregung spürte, war sie glücklich.
    Dann bückte er sich und küsste sie, tief und heftig – der Kuss eines Expeditionsreisenden beim Aufbruch, der Kuss eines Schmetterlingskundlers oder Höhlenforschers, und dann war er aus dem Zimmer verschwunden. Aber er steckte noch einmal den Kopf herein. »Ach so«, sagte er, zwischen Tür und Angel, auf Hochtouren, nichts als Fische im Kopf, »das hätte ich beinahe vergessen: Wie ist es denn gelaufen? Mit dem Sheriff und so?«
    Die Frage holte sie zurück, und einen Moment lang hatte sie wieder Angst, aber das ging vorüber. Sie war in Sicherheit, ihr war nichts passiert. Hiro saß im Gefängnis, ihre Novelle war voller Löcher – im wahrsten Sinne des Wortes –, aber ihr würden sie nichts tun. Sie

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