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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Gedränges und sahen aus wie Tweedledee und Tweedledum in zueinanderpassenden Hosenanzügen.
    »He, La D. – kommst gerade richtig«, rief Sandy und bahnte sich einen Weg zu ihr, den Drink hochhaltend, »wir haben uns gerade Sushi bestellt.«
    Oh, wie sie darüber lachten, ihre Künstlerkollegen, die Stimmung war heiter und von Stolz durchdrungen, aller Augen waren feucht, man wärmte sich auf für den bevorstehenden Abend, die nächste Woche, den nächsten Monat, die gespickt sein würden mit Japanerwitzen, Räuber-und-Gendarm-Anspielungen und geprägt von dem kühnen, eindrucksvollen Thema, das alles überschatten würde: Was La Dershowitz nicht alles für eine Story tut, was? Und dabei hingen noch alle möglichen saftigen Fragen – wie lange und wie weit war es gegangen, hatte sie mit ihm geschlafen, und was hatte der Sheriff gesagt? – in der Luft und warteten auf Antwort.
    Während der Suppe schaffte Ruth Gespräche unter vier Augen mit Irving, Sandy, einer kurzsichtigen Lyrikerin in einem trägerlosen Gewand, mit der sie noch nie zuvor ein Wort gewechselt hatte, und mit der geistesabwesenden, großäugigen Ina Soderbord. Beim Salat fragten Clara und Patsy sie über Einzelheiten aus, und während sie sich über das Hauptgericht hermachte – sie merkte, dass sie nach den Aufregungen des Tages einen wahren Heißhunger hatte –, verlangte Septima persönlich von ihr eine Klarstellung diverser Äußerungen, die sie ihr gegenüber abgegeben hatte. Das war kein Abendessen, sondern die Reise nach Jerusalem. Als Rico das Dessert und die große, schimmernde Kaffeekanne hereinbrachte, war Ruth das Zentrum einer Gruppe, die sie planetenartig umkreiste wie tangential fliehende Himmelskörper, zusammengehalten von der unwiderstehlichen Zentripetalkraft des Klatsches.
    Nach dem Essen wurden Drinks auf der Veranda serviert.
    Ruth plauderte mit Bob und Sandy, genoss die relative Kühle des Abends, fühlte sich wie neugeboren, als sich plötzlich eine Hand in die ihre legte und sie in die unergründlichen, gehetzten Augen von Laura Grobian aufsah. Die fünfzigjährige Laura Grobian war die doyenne einer Schule geheimnisumwitterter dunkeläugiger WASP -Romanciers aus der oberen Mittelschicht und einstmaligen Bohème; berühmt geworden war sie mit einer blutleeren 209-Seiten-Trilogie, die im San Francisco von 1967 spielte. Seither hatte sie nur wenige schmale Bändchen publiziert (jeder Satz ziseliert wie eine Skulptur – oder wie eine Zahnprothese, je nach dem Standpunkt des Betrachters), und sie war von Yousuf Karsh, Richard Avedon und Annie Leibowitz fotografiert worden, sodass ihre eingefallenen Wangen, ihr schwarzer Pony und der gehetzte Blick sich dem Gedächtnis der Öffentlichkeit ebenso eingeprägt hatten wie Truman Capotes Hut oder Hemingways Bart. Sie entließ Bob und Sandy mit einem neurasthenischen Kopfnicken und zog Ruth beiseite.
    »Ach, Ruth«, keuchte sie und fächelte sich Luft zu, während über ihnen Fledermäuse huschten und Moskitos sirrten, »man hat es mir erzählt, man hat mir alles erzählt. Das muss ja schrecklich für dich gewesen sein –«
    Ruth musterte sie erstaunt. Irving Thalamus mochte eine Legende zu Lebzeiten sein, aber Laura Grobian war zeitlos, göttlich, und hier stand sie in Fleisch und Blut, und sie nahm nicht nur Ruths Existenz zur Kenntnis, sondern sie suchte ihre Gesellschaft, unterhielt sich mit ihr, quetschte sie aus! Ruth beugte sich zu ihr und senkte die Stimme zu einem Bühnenflüstern: »Ich hab noch nie so viel Angst gehabt, Laura.« Sie wartete einen Augenblick ab, um zu erfühlen, wie Laura Grobian mit dem gehetzten Blick diese kleine Vertraulichkeit aufnahm, dann fuhr sie fort: »Also, der Sheriff – der war am schlimmsten. Er ist zwar höflich, wie man hier im Süden eben so ist, aber wenn er anfängt, einen in einem geschlossenen Raum zu verhören – also, ich kann dir sagen, einen so willensstarken und einschüchternden Mann habe ich noch nie aus solcher Nähe erlebt. Weißt du, was er von mir verlangt hat?«
    Laura Grobians gespenstischer Blick fixierte sie total. Sie war ganz Ohr.
    In diesem Augenblick legte sich das Spotzen und Brummen eines entfernt vertrauten Automotors über das Raunen der Unterhaltungen und die schrillen Töne der Insekten, und alle blickten kurz auf von ihrem Grand Marnier oder Rémy Martin und sahen kurz das Licht eines Scheinwerferpaars. Etwas Silbriges glitt unter den Lampen entlang der Einfahrt vorbei, man hörte den ersterbenden Motor

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