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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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fügten dem hirnlosen Geträller der Vögel und Baumfrösche eine kleine Note von Präzision hinzu.
    Nach dem Essen bezog sich der Himmel, und Jeff spannte eine Plane von den Dachbalken herunter, um den Wind aus Südosten abzuhalten, wo jetzt Blitze den Himmel aufrissen und das ferne, dyspeptische Grollen des Donners erklang. Dann fütterte er das Lagerfeuer mit einem Bündel von Kiefernästen, die er vorsorglich während des Tages gesammelt hatte, und die Familie setzte sich ringsherum, um Marshmallows zu grillen, Moskitos totzuschlagen und Geschichten zu erzählen. »Tja«, begann Jeff, als er neben Julie Platz nahm – die Plane flatterte, der Rauch wirbelte – »ihr wisst ja wohl, warum dieser gewaltige Sumpf hier Okefenokee heißt –«
    »Ach, Mann, Dad – das hast du doch jetzt schon fünfzigtausendmal durchgekaut.«
    »Jeffie, wirst du wohl nicht in diesem Ton mit deinem Vater sprechen –«
    »– das Land der zitternden Erde, denn das ist wichtig für die Geschichte, die ich euch erzählen will, eine tragische, auf ihre Weise sogar grausige Geschichte.« Jeff machte eine Pause, damit die Adjektive ihren Zauber auf seine Zuhörer ausüben konnten, während das Rumoren des Donners immer näher kam. »Es ist die Geschichte von Billy Bowlegs, dem letzten der großen Seminolenhäuptlinge.«
    Jeff junior saß im Schneidersitz auf einem der Schwimmkissen. Er beugte sich vor, in seinen Augen lag jener wachsame Blick, den er immer hatte, wenn er übte oder seine Hausaufgaben erledigte, und auch seine Stirn runzelte sich kaum merklich. »Er heißt deswegen so, weil der Torf Inseln bildet, auf denen Bäume und alles Mögliche wachsen können, und wenn man dann darauf gehen will, bricht man plötzlich durch – so wie Mom gestern. Mann, war das lustig. Es hat ausgesehen« – sein Tonfall hatte in den kehligen Bereichen von genervtem Zugeständnis begonnen, aber inzwischen genoss er es, ließ sich von der Freude über seine Kenntnisse mitreißen –, »als ob diese ganzen kleinen Bäume über sie herfallen oder so.«
    Jeff holte ihn zurück. »Genau, Jeffie. Und was ist denn eigentlich Torf?«
    »Äh, na, so was wie Kohle, oder?«
    Jeff war sich selbst nicht so sicher, obwohl er jeden Reiseführer über den Okefenokee verschlungen hatte, den er hatte auftreiben können, aber für eine Lektion war es ohnehin genug, schließlich wollte er die Geschichte erzählen. »Genau«, sagte er. »Das ist nämlich wichtig, wenn man verstehen will, was mit Billy Bowlegs passiert ist, nachdem es zu einem der blutigsten Massaker in der ganzen Geschichte dieser Gegend gekommen war. Es war also ungefähr im Jahre 1820, glaube ich, und Billy Bowlegs wurde mit etwa dreißig Kriegern in den Sumpf gehetzt, nachdem sie das Blockhaus eines Siedlers angegriffen hatten. Er hasste die Weißen aus tiefstem Herzen, obwohl er gar kein Vollblutindianer war – der Legende zufolge war sein Vater ein Weißer gewesen, ein Verbrecher, der sich vor der Lynchjustiz in den Sumpf gerettet hatte …«
    In diesem Moment trommelten die ersten windgepeitschten Regentropfen gegen die Plane, und Jeff hielt kurz inne, um sich insgeheim dafür zu loben, dass er die Zeltbahn auch am Boden befestigt hatte. Ein Blitz zuckte auf, gefolgt von einem dumpfen Donnergrollen; alle drei blickten sich um und bemerkten überrascht, dass es bereits dämmerte. Jeff sehnte sich nach einer Zigarette, aber er hatte das Rauchen aufgegeben – es war ungesund, außerdem fanden er und Julie, dass es ein schlechtes Beispiel für Jeff junior abgab –, deshalb zog er ein Päckchen zuckerfreien Kaugummi hervor und bot ihnen davon an.
    »Der letzte Donnerschlag war ziemlich nahe«, sagte Julie. Der Schein des Feuers spielte auf ihren glatten, verlässlichen Zügen. Sie sah gut aus, eine zähe Pioniersfrau, sie wäre imstande, mit der einen Hand Indianerattacken zu parieren und mit der anderen ihr Baby Bäuerchen machen zu lassen. »Gut, dass du daran gedacht hast, die Plane zu spannen. Meinst du, ich sollte das Zelt aufstellen – wo doch das Dach so durchlässig ist?«
    Er war weise, väterlich, bestimmt. »Nein«, sagte er, »so schlimm wird es schon nicht.«
    »Wie geht denn nun die Geschichte weiter, Dad?«
    »Ja. Also. Es war eine stürmische Nacht, so wie heute, und auf Billy’s Island beschmierten sich Billy Bowlegs und seine Männer die Gesichter mit schwarzem Schlamm, dann paddelten sie in ihren Einbäumen zum Rand des Sumpfs. Dort lebte eine weiße Siedlerfamilie, die erst vor

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