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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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ihn nicht gehört. »Ein Japaner ist das, sagst du?«
    Saxby nickte.
    »Man kann nie wissen. Was man so von den Japanern hört – sind wohl ziemlich erfinderisch, was?« Roy zupfte an seinem Mützenschirm und rieb sich die Nase, als gehörte sie gar nicht zu seinem Körper. »Trotzdem, ich möchte mal wetten, so was wie das hier haben sie da drüben nicht, und alles lässt sich mit Erfindungsgeist auch nicht lösen, verstehst du, was ich meine?« Er blickte an Saxby vorbei zu dem flachen Holzbau des Touristenzentrums, dann wieder über die Lagune zu der Stelle, wo Hiro sich der Vegetation in die Arme geworfen hatte. »Ich würde sagen, gegen Sonnenuntergang haben sie ihn eingefangen.«
    »Umso eher kannst du mich doch fahren lassen – Mann, der Park ist doch nicht geschlossen, oder?«
    Beide warfen einen Blick auf Roys Boot, das vom Anhänger schräg ins Wasser ragte. Die leise gegen den schnittigen Kunststoffrumpf schwappenden Wellen tauften das Heck in einer sich regelmäßig wiederholenden Bewegung. Dies war Roys ganz spezielles Boot, das er selbst gebaut hatte, für diesen Sumpf, ein Wunder an Schnittigkeit und Manövrierbarkeit. Sie sahen auf den Namen am Bug – Pequod II –, und beide grinsten. Ringsherum standen Männer mit sonnenverbrannten Gesichtern, die blauen Augen zusammengekniffen, in den Händen Kühltaschen und Dosen mit Angelködern. Verstohlen beobachteten sie Roy und Saxby – ihnen erschien das Phänomen eines amphibischen Japaners nicht minder wundersam als ein fünfunddreißigpfündiger Wels oder ein Hirsch mit drei Beinen, trotzdem gingen sie weiter ihren Verrichtungen nach, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. Motoren erwachten spotzend zum Leben, Boote durchschnitten die Oberfläche des whiskeyfarbenen Wassers. Nur ganz kurz entspannte Roy seine offizielle Miene. »Na gut, dann fahr schon«, sagte er. »Aber du musst wissen, du bist ganz auf dich gestellt. Ich kann nicht nachkommen, jetzt nicht. Und wenn es hart auf hart geht«, fügte er hinzu, »dann muss ich dich holen kommen.«
    Und so ging Roy in Richtung des Büros davon, zu dem Telefon, das Bull Tibbets, Detlef Abercorn und Lewis Turco herbeirufen würde, dazu noch eine ganze Horde von die Ohren spitzenden, die Hälse reckenden, ausnehmend neugierigen Leuten, die die nach Sensationen dürstende Presse der gesamten Nation repräsentierten, und Saxby brach mit Roys langem Flachkielboot allein in Richtung Billy’s Island auf.
    Es war noch früh, und als Saxby die Angler mit ihren Bambusruten, Strohhüten und frühmorgendlichen Budweiser-Dosen hinter sich gelassen hatte, lag der Sumpf still und ruhig da, ein Ort, der schon unendlich oft erwacht war und jetzt unter einem Hauch von Dunst dahintrieb. Roys Richtungsangaben waren perfekt – bei aller ländlichen Lässigkeit konnte er im Notfall präzise wie ein Gehirnchirurg sein –, und Saxby hatte keinerlei Probleme, den schmalen Kanal zu finden, der zur Rückseite von Billy’s Island führte. Den Kanal durfte man nur mit spezieller Genehmigung benutzen, und da er für die motorbetriebenen Leihboote ohnehin zu eng war, wurde er kaum je befahren und war mit Kaskaden von duftendem Geißblatt und mit Stechpalmen überwachsen. Saxby musste sich hindurchstaken und von Zeit zu Zeit anhalten, um die wuchernde Vegetation mit der Machete zu zerhacken, die ihm Roy klugerweise mitgegeben hatte. Gegen neun war er bis auf die Unterwäsche und die Feinrippsocken schweißdurchnässt, und das Boot war eine dahintreibende Salatschüssel voll zerschnitzeltem Laub, Zweigen und fetten, verdutzten Spinnen. Das Nieseln hatte aufgehört, und die Sonne brannte kräftig herunter, als er auf den von Saverbäumen gesäumten Tümpel hinausglitt, den Roy ihm bis zum letzten Lilienbusch beschrieben hatte.
    Der Tümpel sah ziemlich gewöhnlich aus – fünfzehn Meter im Durchmesser, zwei bis drei Meter tief, am anderen Ufer eine Lichtung, ein filziges Gewirr von Sumpfgras, Besenried und Schwertlilien, und dahinter die Kiefern von Billy’s Island. Im Grunde war es nichts weiter als eine etwas überdimensionierte Alligatorsuhle – tatsächlich trieb auch direkt vor ihm ein Zweieinhalbmeter-Exemplar im Wasser, lag dort wie ein Fallschirmspringer im blauen Element, die Beine von sich gestreckt, der gezackte Schwanz reglos in der Tiefe baumelnd. Ja, der Tümpel sah ziemlich gewöhnlich aus – nicht anders als tausend andere –, aber für Saxby war er völlig einmalig, der Tümpel aller Tümpel, der Ort, an

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