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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Burschen hatte er ihnen doch erst gemeldet. Trotzdem hatten sie ihm diesen Kommandokämpfer auf den Hals gehetzt, hatten ihm alle Wirbel auskugeln und ihm Handschellen anlegen lassen, hatten ihn gedemütigt und in den Knast gezerrt wie einen sizilianischen Drogenschmuggler. Das war nicht nötig gewesen. Er wäre widerstandslos mitgekommen.
    Oder vielleicht auch nicht. Nein, bei näherem Überlegen, ganz bestimmt nicht. Das war der springende Punkt. Nichts hätte ihn an diesem Tag von der Insel weggebracht – mit Ausnahme körperlicher Gewalt eben –, und sobald Donnager Stratton auftauchte und ihn herausboxte, würde er dorthin zurückfahren, Polizeikordon oder nicht. Worüber zerbrach er sich da den Kopf? – die Abrechnung mit Abercorn und seinem Häscher konnte warten.
    Was ihn so magisch anzog, war natürlich Elassoma okefenokee (beziehungsweise Elassoma okefenokee lightsei – er konnte der Verlockung nicht widerstehen, den eigenen Namen anzuhängen, obwohl das gewiss etwas verfrüht war und, nun ja, auch ein wenig kindisch). Er hatte sie aufgespürt. Hatte sie endlich aufgespürt. Und er war mitten in der Arbeit gewesen, hatte seine Netze ausgeworfen und gerade einen Riesenschwarm gefangen, als dieser hirnrissige kleine Nazisöldner ihn von hinten angefallen hatte. Der Zeitpunkt war extrem ungünstig: Da hatte er endlich seine Albinos gefunden, über zweihundert Stück waren ihm schon bei den ersten sechs Mal ins Netz gegangen, und dann wurden sie ihm wieder entrissen. Oder, um genau zu sein, er wurde ihnen entrissen.
    Dennoch war es erstaunlich. Da waren sie, genau dort, wo Roy gesagt hatte. Eigentlich hatte ihn Roy gar nicht mehr hinfahren lassen wollen – nicht nachdem dieser Ausbrecherkönig aus Nippon direkt vor seinen Augen aus dem Kofferraum gehüpft und kopfüber in den Sumpf gehechtet war. »Was in aller Welt war denn das?«, hatte Roy gefragt, während er sich am Kopf kratzte und auf den Bootskanal starrte, wo Hiro Tanaka, eine schäumende Bugwelle vor sich aufwerfend, gerade dem gegenüberliegenden Ufer zustrebte. Saxby hatte ihm keine Antwort geben können. Er fragte sich, ob er vielleicht halluzinierte. Es war, als bliebe ein hochgeworfener Ball in der Luft hängen, als würde man den Gasherd anschalten und plötzlich züngelten einem Flammen aus den Fingerspitzen. Sein Mund klappte auf, seine Arme baumelten herab wie Wäsche von der Leine. Dann aber fasste er sich wieder, das Unmögliche wurde möglich, er zog die Verbindung zwischen Kofferraum, Tupelo Island und dem Boden unter seinen Füßen, und die Wut stieg in ihm auf wie tausend kleine Autos, die in wilder Jagd durch seine Adern rasten. »Du dreckiger Hurensohn!«, brüllte er und stürmte ins Wasser wie ein massiger Alligator, schüttelte dem sich entfernenden Schwimmer die Faust hinterher, »du, du« – er hatte diese Worte noch nie in den Mund genommen, doch nun rutschten sie ihm heraus, als wären sie das Schmiermittel seines Vokabulars –, »du schlitzäugige gelbe Japsensau!« So stand er im knietiefen Wasser, schüttelte die Faust, fuchtelte mit den Armen und schrie: »Ich bring dich um, ich bring dich noch mal um!«, bis ihn Roy am Gürtel packte und wieder aufs Land zerrte.
    Nachdem er sich beruhigt hatte, erzählte er Roy die ganze Geschichte, woraufhin dieser eine höchst offizielle Miene aufsetzte, die Miene des stellvertretenden Leiters und De-facto-Aufsehers des Okefenokee-Naturschutzgebiets mit Büro im Touristenzentrum des Stephen C. Foster State Park und einer unerschütterlichen Loyalität gegenüber den Säugetieren, Vögeln, Fischen und Reptilien des Sumpfs, ganz zu schweigen von der Loyalität gegenüber dem Innenministerium, wo man ein mehr als flüchtiges Interesse an Recht und Ordnung und an der öffentlichen Meinung hegte. »Wir können jetzt nicht auf die Insel rausfahren«, sagte er, »nicht nach diesem Vorfall.«
    »Und warum nicht, zum Teufel?«
    Roy gab sich schockiert. »Na, weil wir den Sheriff und die Behörden benachrichtigen müssen. Sie werden eine Jagd auf den Mann organisieren wollen, und dafür werden sie unsere Leute hier brauchen« – er sprach jetzt nicht mehr mit Saxby, sondern dachte nur laut nach –, »… natürlich wird er da draußen nicht allzu weit kommen, ohne zerstochen, zerbissen und halb aufgefressen zu werden, falls er nicht vorher ertrinkt – und das ist eine durchaus ernst zu nehmende Möglichkeit …«
    »Roy?«
    »Mmh?«
    »Ich fahre trotzdem raus.«
    Roy tat, als hätte er

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