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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Angeles, von überall. Also, ich möchte die Wahrheit darüber wissen, wie sehr du in diese Sache verstrickt bist – die volle Wahrheit. Ich denke, darauf habe ich ein Recht, meinst du nicht auch?«
    »Natürlich«, bestätigte Ruth, »natürlich hast du das, aber ich habe dir doch schon gesagt –«
    Septima schnitt ihr das Wort ab. »Du weißt, dass ich sehr aufgeschlossen bin, Ruthie, und du kennst auch meine Meinung über die kreative Atmosphäre auf Thanatopsis und über das Tun und Lassen der Künstler, was ihre persönliche Moral und ihre sexuellen Maßstäbe betrifft –«
    Ruth starrte sie sprachlos an.
    »Ja, und als mein Sohn mir sagte, dass er ein jüdisches Mädchen mit herbringen würde, habe ich nicht mit der Wimper gezuckt – weshalb auch, wo wir doch im Laufe der Jahre schon so viele talentierte jüdische Künstler hierhatten … Aber jetzt schweife ich von dem ab, was ich eigentlich sagen will. Ob du nun ein bisschen, äh, intimer mit diesem jungen Ausländer gewesen bist, als du selbst wolltest, darum geht es ja im Grunde gar nicht …« Sie verstummte, und die folgende Stille hätte Schiffe, ja ganze Ozeane verschlingen können. »Ruth« – der Klang ihres Namens ließ Ruth unwillkürlich zusammenzucken –, »Ruth, ich bin hier, um dir zu sagen, dass ich vorhin einen Anruf von Saxby bekommen habe.«
    Ein Anruf von Saxby, ein Anruf von Saxby. Ja? Und?
    »Er war im Gefängnis, Ruth. Im Bezirksgefängnis von Clinch County, in Ciceroville.«
    »Im Gefängnis?« Ruth wäre nicht überraschter gewesen, wenn die alte Dame ihr erzählt hätte, er sei im Libanon als Geisel genommen worden. »Weshalb denn?«
    Septima musterte sie mit scharfem, durchdringendem Blick. »Meine Rechtsanwälte kümmern sich darum, keine Sorge. Inzwischen müsste er schon wieder frei sein. Dieser Sheriff da unten und alle Übrigen werden es noch bereuen, dass sie sich mit Septima Lights angelegt haben, glaube mir – aber das ist im Moment nicht das Problem. Das Problem ist, die beschuldigen ihn, diesem Japaner bei der Flucht geholfen zu haben. Er soll ihn in meinem Wagen, dem Mercedes, zu diesem Sumpf gebracht haben. Das Problem ist, Ruthie, dass ich mich frage, wer diesen Burschen in den Kofferraum meines Wagens geschafft hat und was du mir darüber zu sagen hast.«
    Ruth war benommen. Wie gelähmt. Sie spürte ihren Rückhalt in Thanatopsis House schwinden, sah ihre Karriere gefährdet, Saxby drohte sich ihr zu entfremden, der Kellnerinnenjob dräute wie ein schwarzes Loch über ihrer Zukunft. »Ja, ich habe gelogen«, stieß sie hervor. »Ich gebe es zu, und es tut mir leid. Aber nur über Hiro, ich meine, wie viel ich ihm geholfen habe, als er noch … frei war. Aber ich schwöre dir, dass er sich aus dieser Zelle befreien konnte, damit hatte ich nichts zu tun, davon hatte ich keine Ahnung – und Sax genauso wenig.«
    Sie saßen eine halbe Stunde lang beieinander. Ruth vertraute der alten Dame die Krümel und Körnchen der Wahrheit über Hiro an – aber intim sei sie niemals mit ihm gewesen, das hob sie nachdrücklich hervor – und kehrte immer wieder zu der Rechtfertigung zurück, sie habe ihn für eine Erzählung verwendet, für Recherchen, für künstlerische Zwecke. Das war es: Sie hatte es für die Kunst getan. Und sie hatte nichts Schlimmes anrichten wollen. Wirklich. Nichts Schlimmes.
    Als sie geendet hatte, waren die Schatten vor dem Fenster deutlich länger geworden, und das Geschnatter im Wald hatte mit dem lauten Quaken der Baumfrösche und dem dröhnenden Bass ihrer in Tümpeln lebenden Verwandten eine abendliche Klangfarbe angenommen. Owen tauchte an der Tür auf. Septima räusperte sich. »Sie wollen, dass du morgen hinfährst, Ruthie – Mr. Abercorn will es, und es ist auch keine Bitte. Ich weiß alles von diesem abscheulichen Vorfall auf der Veranda, und ich könnte mich in den Hintern treten dafür, dass ich solche Leute überhaupt auf Thanatopsis aufgenommen habe … also, ich weiß nicht, wie ich dir das schonend beibringen soll, aber ich will ebenfalls, dass du hinfährst.« Septima fixierte sie mit festem Blick. »Und leider ist auch das keine Bitte.«
    »Aber – aber was die mir alles angetan haben: Sie haben mich an den Haaren gezogen und beschimpft –« Jetzt stieg die Wut in Ruth auf, sie konnte sich nicht bezwingen. Und dann ballte sich in ihrem Innern eine kleine Faust der Angst zusammen. »Was wollen sie denn von mir?«
    Die alte Dame wählte ihre Worte sehr vorsichtig. »Ich weiß es

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