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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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geholfen hatte, so lange würde er in einer Zelle sitzen, um seinem Gedächtnis nachzuhelfen. Zuerst konnte er gar nicht richtig denken – sein einziger Wunsch war, vom Stuhl aufzuspringen, die Handschellen zu sprengen wie ein Superheld und auf dieses säurefleckige Gesicht einzuprügeln, bis es platzte wie eine Tomate. Abercorn aber ließ ihn irgendwann angewidert abführen, und sie verfrachteten ihn ins Bezirksgefängnis von Clinch County nach Ciceroville, wo ihm das eine Telefongespräch gestattet wurde, das ihm gesetzlich zustand. Er rief seine Mutter an. Sie war eine gewaltige, allmächtige Persönlichkeit, sie war die Frau, an die sich der kleine Junge ohne Vater geklammert hatte, der in einer Südstaaten-Schule mit einem Yankee-Akzent überleben musste. Sie zwang ihren Zorn in klare Worte der Besänftigung und der Drohung: »Donnager Stratton wird dich in einer Stunde aus dieser Zelle herausgeholt haben, das garantiere ich dir, und bis heute Abend schalten wir den Gouverneur persönlich in die Sache ein – ich kann es immer noch gar nicht fassen –, und für diese geschmacklosen, miesen kleinen Beamten wird es dann sehr brenzlig werden, das kannst du mir glauben.«
    »Mama«, sagte er darauf zu ihr, »Mama, sie wollen, dass Ruth hierherkommt.«
    »Ruthie?«, wiederholte sie, und fast hörte er ihre Gehirnwindungen klicken. »Aber sie denken doch nicht etwa –?«
    »Sie denken alles Mögliche, Mama. Sie wollen sie hierhaben und mit einem Megafon oder so in den Sumpf schicken, damit sie dort seinen Namen ruft – sie sagen, dass sie die Einzige ist, die er gut kennt, und dass er auf sie hören wird –«
    »Aber das ist doch absurd.«
    »Das hab ich ihnen auch gesagt.« Er dachte daran, wie Abercorn, der eiskalte, lächerliche Abercorn, ihm erklärt hatte: Sie werden sich wundern, welche Macht die menschliche Stimme besitzt. »Aber sie bitten sie nicht darum, Mama. Sie wollen, dass sie morgen früh hier ist, sonst sperren sie sie auch ein.« Er stockte. Er stand in einem großen Raum mit langsam rotierenden Deckenventilatoren und Fahndungsplakaten an den Wänden. Ein Hilfssheriff beobachtete ihn. »Sag ihr das.«
    Septima sagte es ihr. Und sie hörte es nicht gern. Ganz und gar nicht. Ruth spürte plötzlich, wie sie ihren Rückhalt verlor – bei Saxby, bei Septima, auf Thanatopsis House und in der strahlenden, großen weiten Welt von Berühmtheit und Anerkennung, die damit verbunden war. Sie fühlte sich, als klammere sie sich an einen Felsvorsprung über einem jähen Abgrund, während Jane Shine, Detlef Abercorn und sogar Septima mit Mikrofonen und der flachen, harten, unnachgiebigen Planke des Gesetzes auf ihre Finger einschlugen. Sie hatte keine Wahl. Am nächsten Morgen würde Owen sie zum Okefenokee-Sumpf fahren, und dort würde sie in einem Boot mit Detlef Abercorn und Lewis Turco und jedem anderen, den sie sonst dabeihaben wollten, losfahren und Hiros Namen schreien und ihn bitten, sich zu ergeben. Das würde sie tun – für Saxby und auch für Septima. Vielleicht sogar für Hiro.
    Aber das war erst morgen. Vorher musste sie lesen.
    Um neun Uhr versammelten sich die Künstler im vorderen Salon und machten es sich auf den vertrauten Sesseln, Couchen und Sofas bequem, beim gedämpften und ganz gewöhnlichen Licht der Leselampen, die im Raum verstreut standen. Keine Punktstrahler und kein Mikrofon. Ruth erschien um Punkt neun, angezogen wie für eine Grillparty. Auf Gesicht, Nägel und Haare hatte sie einige Zeit verwendet, die Kleidung aber ganz schlicht gehalten –T-Shirt, Jeans und Sandalen, wie sie es von Anfang an vorgehabt hatte. Sie war fest entschlossen, bis ins kleinste Detail dieser Lesung einen krassen Gegensatz zu jener vom Vorabend herzustellen. Heute Abend würde es keine billigen Sensationen geben, weder schwedischen Akzent noch gefühlsduselige Theatralik – nur Arbeit, ehrliche Arbeit, vorgetragen mit ehrlicher Stimme.
    Als Ruth auf dem großen Sessel unter dem Kronleuchter Platz nahm, fiel ihr als Erstes auf, dass Septima nicht frisch frisiert war. Sie hatte noch die gleiche Frisur wie bei Janes Lesung, und obwohl sie elegant wirkte, sie wirkte ja immer elegant, sah ihr Haar etwas zerdrückt aus, als hätte sie darauf geschlafen. Als Nächstes bemerkte Ruth Jane. La Shine hatte sich auf der Damastcouch zwischen Irving und Mignonette Teitelbaum niedergelassen, neben der Seezers in seinem Rollstuhl thronte. Das Haar trug sie heute offen, die große starre Tschakofrisur vom vorigen

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