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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Truhe in seinem Kellerabteil heraussuchen, und dann musste er einen vietnamesischen Laden – den vietnamesischen Laden, vermutlich den einzigen vietnamesischen Laden in diesem ganzen gottverlassenen Bundesstaat der Langsamredner und Tabakspucker – auf der De Lesseps Ecke Skidaway suchen. Dort wollte er sich mit Lewis Turco treffen, der im Vietnamkrieg bei einem Spezialkommando gewesen war, jetzt für den INS den Teilzeit-Agenten spielte und schon auf Borneo, Okinawa und den Pribilow-Inseln gelebt hatte. Turco würde er mitnehmen, damit der ihm half, diesen amoklaufenden Japsen auf Tupelo Island aufzuspüren. Oder vielmehr hatte er vor, Turco das Aufspüren zu überlassen, während er selbst sich im nächsten Motel einmieten würde – mit zwei Sechserpacks Bier, dem John le Carré und der Aussicht auf die bevorstehende Serie von vier Spielen zwischen den L. A. Dodgers und den Atlanta Braves.
    Das Hemd war ihm egal – es war sowieso schweißdurchtränkt –, trotzdem war er nicht auf den Taifun vorbereitet, in den er geriet, als er über den Parkplatz zu seinem Wagen rannte. Als er endlich die Tür auf hatte, war er nass bis auf das Gummiband seiner Unterhose. Es hatte nicht einmal Sinn, den Motor anzulassen – ehe der Regen nicht nachließ, konnte er nirgendwo hinfahren, nicht mit diesen Scheibenwischern –, und er war nicht eben scharf darauf, zurück ins Büro zu stürzen, weil er sich damit vor Ginger und den anderen Mädchen lächerlich gemacht hätte, ganz zu schweigen von den geschniegelten Typen, die in seiner Behörde das Sagen hatten. Die betrachteten ihn ohnehin als Freak, als eine Art Untermensch, der auf der sozialen Leiter nicht viel höher stand als irgendein Flüchtling ohne Aufenthaltsgenehmigung. Also blieb er sitzen, und aus Angst, die Batterie leer zu machen, traute er sich nicht einmal, das Radio einzuschalten. Innerlich schäumte er vor Wut über dieses verrückte, unbesonnene, durchgedrehte Japsen-Arschloch – er hasste den Kerl schon jetzt, hoffte, dass sie ihn teerten und federten und dann in einer Kiste nach Hause schickten, nach Nagasaki oder wohin auch immer –, und er horchte auf die tausend winzigen frustrierten Fäuste des Regens, die auf sein Autodach trommelten.
    Am Ende war er dann über eine Stunde zu spät dran für seine Verabredung mit Turco, den er noch nie gesehen und mit dem er vor ein paar Stunden zum ersten Mal am Telefon gesprochen hatte. Zusätzlich kompliziert wurde die Sache dadurch, dass er, als der Regen nachgelassen und er zu Hause seine Tasche gepackt und Gummistiefel, Rekorder, Notizblock und alles andere zusammengekramt hatte, einfach die Adresse nicht finden konnte. Er war erst seit sechs Monaten in Savannah, und mit Karten war er noch nie klargekommen. Überall diese Einbahnstraßen und eine endlose Reihe von altmodischen Plätzen, um die man jedes Mal herumfahren musste, um jeden einzelnen, einen nach dem anderen, und alle sahen sie gleich aus. Endlich fand er die De Lesseps Avenue, aber nicht den Laden, der, wie sich später herausstellte, am hintersten Ende einer Sackgasse versteckt war. Nachdem er die Straße zwanzigmal rauf- und runtergefahren war, hatte er schließlich an einer Ampel neben einem rotgesichtigen Hinterwäldler gehalten und ihm ein Zeichen gemacht, er möge die Scheibe herunterkurbeln. In der Luft lag ein starker, leicht stechender Geruch nach frisch ausgelösten Austern, nach Meeresschlamm, Fischschuppen und Schlimmerem; der Regen prasselte herab. »Der Laden von Tran Van Duc«, brüllte er, »haben Sie irgendeine Ahnung, wo der ist?«
    Der rotgesichtige Kerl beugte sich zu ihm herüber. Er trug einen Anzug, und sein dünnes blondes Haar war in der Mitte gescheitelt. Er war fett, das sah Abercorn jetzt, massig, ein aus dem Meer gewuchteter See-Elefant, der in der unglaublich kleinen Fahrerkabine seines Kleinlasters wie ein schlechter Scherz wirkte. In seinem schleppenden Akzent murmelte er etwas, das so klang wie »Glaida-Reben« oder »Gleiterüben«.
    »Tut mir leid«, sagte Abercorn und gab sich große Mühe, sein gewinnendes Lächeln aufzusetzen, dieses Lächeln, das er wie eine Krawatte anlegte, wenn es nötig war, »aber ich habe Sie nicht ganz … Gleiterüben?«
    Der Mann verdrehte ärgerlich die Augen. Dampf stieg vom Asphalt auf. »Gleiterüben«, wiederholte der Mann, wobei er sich wieder Abercorn zuwandte und mit einem dicken Zeigefinger auf die riesige, unübersehbare rot-gelbe Neonschrift zeigte – TRAN VAN DUC –, die

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