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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Samstagnachmittag zwischen eins und drei in den Yoyogi-Park von Tokio, drehen ihre Kofferradios laut auf und tanzen. Das ist alles. Sie tanzen. Sonst nix. Das biederste Volk der Welt.«
    Abercorn verdaute diese Auskunft eine Weile und fragte sich, welchen Bezug sie wohl zum aktuellen Fall besaß, zu dem Fall, der ihn in dieses Auto, in dieses Unwetter, ins Schlepptau dieses wurzelkauenden Vietnam-Veteranen gebracht hatte. Das Ganze war ja wirklich lächerlich. Neunundneunzig Prozent der illegalen Einwanderer reisten einfach ein und verschwanden – reisten mit einem Touristenvisum ein und tauchten unter, hängten sich unter einen Autobus, flogen für ein Semester an der Uni ein, und am Ende lebten sie alle von der Sozialhilfe. Es war ein Witz. Die Grenzen waren ein Sieb, ein Netz mit Löchern, ein Lattenzaun ohne Latten. Aber wenn einer mal bei seiner Einreise ein bisschen Lärm machte, wenn er den Leuten in die Quere kam, die die Neuwagen kauften und wählen gingen, dann blinkten die Alarmlämpchen gleich bis nach Washington, und dann schlug die Stunde der Detlef Abercorns. »Aha, äh, was meinen Sie also, was wir tun sollten?«, fragte er. »Die Japsen – die Japaner, meine ich – neigen doch auch ziemlich zum Fanatismus, oder? Hara-kiri, kamikaze , todesverachtende Sturmtruppen und so weiter?«
    »Ja, ja, ich hab die Filme auch gesehen. Aber in Wirklichkeit ist es so, wie ich’s Ihnen sage: Die sind einfach nur bieder. Wissen Sie, wie wir diesen Clown fangen werden?«
    Abercorn hatte keinen Schimmer. Aber er dachte, falls die barfüßigen Provinzler mit ihren Bluthunden ihn nicht kriegten, dann stand ihnen einiges bevor. Ihm fiel der Soldat ein, den sie auf den Philippinen in einer Höhle entdeckt hatten und der dreißig Jahre nach seinem Ende immer noch im Zweiten Weltkrieg kämpfen wollte. »Nein«, sagte er leise.
    Turco deutete auf den Rucksack auf dem Rücksitz. »Wissen Sie, was ich da drin habe? Einen Gettoblaster. Von Sanyo. Das größte Teil, was du je gesehen hast, die Lautsprecher geben genug Saft ab, dass jeder Piepvogel da in den Wäldern in zwei Minuten tot vom Baum fällt. Ich hab ein paar Disco-Bänder mit, Michael Jackson, Donna Summer und solchen Mist, kapierst du? Ich werde diesen kleinen Scheißer aufspüren, genau so, als hätten wir 1966 und würden im Tal von Ia Drang nach einer Spur suchen. Und wenn wir sie gefunden haben, dann stelle ich diesen Rekorder hier auf einen Baumstumpf und dreh ihn auf.«
    Meinte er das ernst? Abercorn war sich nicht sicher.
    Turco wandte sich ihm mit einem Grinsen zu, das sämtliche Zähne freilegte, die ganz schwarz von dem Zeug waren, das er da aß. »Tja«, sagte er und tätschelte die eckige Ausbeulung in dem Rucksack, »ich geh nämlich auf die Jagd, und das hier ist mein Lockvogel.«

DIE BIENENKÖNIGIN
    Owens Weckruf – ein dreimaliges kräftiges, aber respektvolles Klopfen, begleitet von einem leisen, vielsagenden Flüstern – riss sie aus einem traumlosen Schlaf. » Es la hora «, raunte er durch die Tür, und Ruth zwang sich, die Augen aufzuschlagen. » Despiértese, señorita. « Er hatte heute seinen spanischen Tag – das immerhin fiel ihr auf, obwohl sie sich zerschlagen und verkatert fühlte und es ihr ziemlich gleich war, ob sie auf Spanisch, Norwegisch oder Navajo geweckt wurde; sie wollte nichts weiter als wieder einschlafen.
    Jeden Wochentag um halb sieben machte Owen Birkshead die Runde durch die stillen, kühlen Gänge von Thanatopsis House und übernahm die heikle Aufgabe, die schlummernden Künstler zu wecken, ohne sie allzu unsanft aus den Träumen zu reißen. Je nach Lust und Laune weckte er sie in einer der romanischen Sprachen, die ihm am frühen Morgen süß über die Zunge kamen, in forschem, geschäftsmäßigem Deutsch oder gar auf Russisch. So hieß es einmal: » Guten Morgen, Fräulein: Ihre Arbeit erwartet Sie! «, dann wieder: » Buongiorno, signorina, che bella giornata! « Einmal hatte er es sogar auf Japanisch versucht – » Ohayō gozaimasu « –, doch fürchtete er, sein harter Akzent könnte die schimmernde Patina der Künstlerträume ankratzen, deshalb ließ er davon wieder ab.
    »Ja«, stieß Ruth hervor, »ich steh schon auf.« Sie war zu benommen, um wie üblich » Sí señor, muchas gracias, yo me despierto « zu antworten. Sie war am Vorabend lange aufgeblieben, zu lange, und sie hatte zu viele Bourbons getrunken. Jetzt horchte sie auf das leise Schlurfen von Owens Schritten durch den Gang, und sie hörte ihn

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