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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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spürte den wundersamen, eiskalten Zug im Gesicht, hielt die Sechserpackung Coke schon in der Hand. Was sagte sie da? Er hatte keine Ahnung, aber er wusste, er musste antworten, irgendetwas sagen, sonst war er verloren.
    In diesem Moment trat Bobby, die Hände an der Schürze abwischend, aus dem Hinterzimmer. Bobby war neunzehn, schön und wohlproportioniert wie ein Erzengel, aber mit einem so niedrigen IQ , dass er seine Schwingen nicht recht ausbreiten konnte. Er hatte Schwierigkeiten mit den Grundrechenarten, konnte weder die Zeitung lesen noch etwas in die Kasse tippen. Sein Job war es, aus Lagerbeständen die Regale aufzufüllen und nach Bobby junior zu sehen, wenn Cara Mae einen Kunden im Laden hatte. Er stand in der Tür und betrachtete Hiro ungläubig.
    Sag etwas, so sag doch etwas, dachte Hiro, und auf einmal hatte er eine Eingebung. Burt Reynolds, Clint Eastwood – was würden die wohl sagen? Amerikaner eröffneten jeden Austausch von Höflichkeiten mit einem Schwall von Flüchen, das war allgemein bekannt – und auch wenn man das nicht wusste, auch wenn man keine Ahnung hatte, jeder hatte schließlich Eastwood in Aktion gesehen. » Mothafucka «, sagte er und verbeugte sich vor dem Mädchen, während er zu ihr hinschlurfte und seine Beute auf den Ladentisch knallte. Und zu dem verwirrten Burschen bemerkte er in dem artigsten Tonfall, den er aufbringen konnte: »Schwule Sau, ja?«
    Das Mädchen gab keine Antwort. Es blieb reglos hinter der Kasse stehen, einen kleinen rosafarbenen Kaugummiklumpen zwischen den Zähnen. Der Junge kniff zweimal die Augen zu, dann rannte er quer durch den Raum und riss das Baby an sich, als wäre es in Gefahr. Währenddessen sammelte Hiro Slim Jims, Twinkies und alle möglichen anderen Süßigkeiten ein und errichtete einen Berg aus Dosen und Flaschen und glänzenden bunten Verpackungen vor sich auf der Ladentheke.
    Das Mädchen tippte die Artikel ein. »Zehn drei’nsiebzig«, sagte sie dann mit eisiger Stimme.
    »Scheißhaus auch«, sagte Hiro, grinste und verbeugte sich erneut, als er die vier Geldscheine herausholte und auf den Ladentisch ausbreitete. »Klobrille. Fahr zur Hölle, ja?«
    Die junge Frau zermalmte den Kaugummi zwischen den Zähnen. Sie hatte die Augen zusammengekniffen, und ihre Stimme traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. »Das hier sind aber bloß acht.«
    »Blosacht?«, wiederholte er verwirrt.
    Sie stieß mit entnervter Miene die Luft aus. Das an die Schulter seines Vaters gedrückte Baby wurde unruhig. Von draußen ertönte das Geräusch von quietschenden Bremsen, und im Aufblicken sah Hiro einen überdimensionierten, fabrikneu schimmernden Pritschenwagen, der sich an den Laden heranschob.
    »Zwei drei’nsiebzig tu ich kriegen«, sagte sie. »Dazu noch.«
    Mit einem Mal begriff Hiro. Die kleinen grünen gaijin -Scheine reichten nicht. Er würde ein paar Sachen zurückstellen müssen, dabei brauchte er sie doch, brauchte alles im Laden und noch mehr. Merkten sie das denn nicht? Sahen sie nicht, dass er am Verhungern war? Draußen spotzte der Motor kurz und verstummte dann. »Wenig«, sagte er und schob ein, zwei Artikel beiseite.
    »Mannomann«, sagte das Mädchen. »Ich glaub’s einfach nich.«
    Und dann sprach der junge Bursche zum ersten Mal. »Sind Sie’n Ausländer oder wie?« fragte er.
    Jemand war in den Laden gekommen. Hiro spürte die schweren Schritte auf den Bodenbrettern und sah, wie sich die Miene des Mädchens erhellte. »Hallo, Sax«, sagte sie.
    Hiro wagte nicht aufzusehen. Es konnte ja der Chef der Polizei oder der Küstenwache sein oder eine der Langnasen von der Einwanderungsbehörde, von denen Akio ihm erzählt hatte. Mit pochendem Herzen konzentrierte er sich auf die Hände des Mädchens, die seine Einkäufe auseinander schob, mehrere Artikel in eine braune Papiertüte packte und ihm dann drei kleine Münzen hinhielt. Er nahm das Geld und verbeugte sich nochmals.
    »Danke, danke«, sagte er, und aus lauter Dankbarkeit, Erleichterung und Freude über das Festmahl, das ihn erwartete, über seine Rettung vor dem langsamen Tod in den Sümpfen, fiel er ins Japanische. » Dōmo «, sagte er. » Dōmo sumimasen. «
    Das Mädchen gaffte ihn an. Und dann drehte er sich eilig um und sah einen großen gaijin mit farblosem Haar und kalten porzellanenen Augen – es war der, der versucht hatte, ihn mit seinem Boot zu überfahren, und im nächsten Augenblick war er zur Tür hinaus, klemmte sich die Tüte unter den Arm wie einen Football und

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