Der Samurai von Savannah
über einer Einfahrt keine fünfzehn Schritt von der Kreuzung glomm. Dann schaltete die Ampel um, und der Wagen donnerte davon.
Der Laden war winzig, nur ein Gang zwischen lose aufgestapelten Dosen und zwei niedrigen Gefriertruhen, die die ganze Wand einnahmen, und der Gestank war schlimmer als der Fischgeruch draußen auf der Straße. Abercorn zog die Tür hinter sich zu und sah sich rasch um: zwei eingefallene, alterslose asiatische Gesichter, die ihn furchtsam anstarrten, Dosen mit diesem in Essig und jenem in Salzlake, komische kleine, in Plastikfolie eingefrorene Fische, getrocknete Gewürze, Peperonischoten und Soßen, die nie jemand kaufen würde. Er hatte in Hunderten von Läden wie diesem Razzien gemacht, in Arcadia und Pacoima und San Pedro, und er war sich klar, dass die beiden hinter dem Tresen zwar eine Aufenthaltserlaubnis hatten, aber die zwanzig im Keller bestimmt nicht, und er wusste auch, dass sie ganz bestimmt noch etwas anderes als Fischsoßen importierten, aber das war nicht sein Problem. »Ich suche Lewis Turco«, sagte er.
Nichts. Keine Reaktion. Ebenso gut hätte er mit sich selbst sprechen, summen, singen, gurgeln können, ja ebenso gut hätte er ein Hund oder ein Affe sein können. Das Pärchen hinter dem Ladentisch – ein Mann und eine Frau, wie er jetzt sah – zeigte keine Regung. Sie hielten den Atem an, regelten ihren Herzschlag – nicht einmal mit den Augen zwinkerten sie. »Lewis Turco«, wiederholte er und betonte jede Silbe, »ich su-che Lew-is Tur-co.«
»Jo«, ertönte eine Stimme hinter ihm, und ein Mann in militärischer Tarnkleidung trat durch einen Perlenschnurvorhang aus dem Hinterzimmer in den Laden. Er war klein – nicht mal eins siebzig, schätzte Abercorn – und machte eine unverbindliche Miene. Seine Schultern waren etwas zu breit, er hatte die Statur eines Gewichthebers, kräftig im Brustkorb und den Oberarmen. Er trug einen Bart, und das lange, glatte, fettige blonde Haar war mit einem Lederband zusammengebunden. »Abercorn, stimmt’s?«, fragte er.
Detlef Abercorn war eins sechsundneunzig, hatte kurze Haare und mit vierunddreißig immer noch dieselbe schlanke, schmalhüftige Figur wie damals als bester Werfer seiner High-School-Baseballmannschaft im kalifornischen Thousand Oaks. »Ja«, antwortete er mit einem Grinsen, »und Sie sind wohl Lewis Turco.«
Turco grinste nicht. Er kam durch den Raum auf ihn zu wie ein Cowboy, jeder Schritt zu lang, zu breitbeinig, er stapfte daher, als ob er in Zeitlupe einen Berg hinaufsprintete, und dann blieb er ruckartig am Ladentisch stehen, wirbelte zu dem hölzernen Paar herum und stieß einen Wortschwall in einer Sprache aus, die Abercorn für vietnamesisch hielt. Daraufhin erwachten die beiden plötzlich zum Leben, als hätte man einen Schalter umgelegt: Der Mann tauchte hinter dem Tresen ab und zog einen fest verschnürten und sichtlich vollgestopften Armee-Rucksack hervor, von dessen Tragrahmen ein Feldspaten, ein Gummiknüppel, ein Paar Handschellen und mehrere esoterisch anmutende Gerätschaften baumelten, die Abercorn nicht identifizieren konnte, während die Frau ihm ein Zellophanpäckchen überreichte, das irgendetwas Essbares zu enthalten schien – Trockenfleisch oder Wurzeln oder so ähnlich.
Nur um etwas zu sagen, bemerkte Abercorn: »Schöne Scheiße, was?« – womit er den Regen, den Staat Georgia, die Einwanderungsbehörde und das brandstiftende, durchgedrehte japanische Arschloch meinte, das sich da bei den Blutegeln und Tausendfüßlern auf Tupelo Island versteckt hatte, in diesem stinkigen, feuchten, hoffnungslosen Loch.
Turco antwortete nicht. Er hatte sich den Rucksack umgeschnallt und das Essenspaket von der Frau genommen, und jetzt musterte er Abercorn abschätzig, »Du liebe Güte«, sagte er schließlich. »Was ist Ihnen denn passiert, Mann – Napalm, Autounfall, oder was? Sagen Sie bloß, Sie sehen schon seit Ihrer Geburt so aus?«
Abercorn verspannte sich. Sein ganzes Leben lang hörte er das schon, doch noch immer machte es ihn unsicher – und war es denn ein Wunder? Er war ein gut aussehender Bursche, gute Figur, kräftige Nase, kantiges Kinn, dichtes Haar wie ein Teenager. Aber er wusste, wovon Turco sprach, er wusste, was dieser Kerl da unhöflicherweise aufs Tapet brachte – jeder, der auch nur halbwegs sensibel war, hätte diese Frage nicht gestellt. Turco meinte die weißen Flecken auf seinem Gesicht und den Händen – viele glaubten, es handle sich um Narbengewebe oder ein Ekzem
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