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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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jetzt aber an was Neuem, das für mich etwas ganz anderes bedeutet, ein richtiger Aufbruch. Ich bin ganz aufgeregt deswegen.« Er sah nicht sehr aufgeregt aus. Er wirkte etwa so aufgeregt wie eine ältliche Schriftstellerlegende, die darüber nachsinnt, ob sie ins Gemeinschaftsbad hinaufgehen sollte, um dort den Darm zu entleeren, und genau das tat er auch.
    Sie wollte etwas Banales sagen, wie etwa: »Das freut mich wirklich für dich«, oder: »Das ist wohl das Mindeste, was wir von dir erwarten, Irving«, aber er drehte sich plötzlich zu ihr, und seine Miene erhellte sich. »Ach, übrigens«, sagte er, »hast du schon das Neueste gehört?«
    Hatte sie nicht. Sie schloss den Mund und faltete die Hände im Schoß. Sie erwartete etwas Saftiges, Handfestes, über das sie bis zum Mittagessen lachen konnte, eine hinreißende Klatschgeschichte, aus der sie einen Dauerwitz für die nächste Woche im Billardzimmer machen konnte. Letztens hatte er ihr erzählt – es war einfach fantastisch, sie hätte es selbst nicht besser erfinden können –, eines Nachts sei Peter Anserine in sein Zimmer unter dem Dach hinaufgegangen, um dort Clara Kleinschmidt in voller Fülle auf seinem Bett liegend vorzufinden wie die Nackte Maja – und das Beste daran: Sie war bis zum Morgen geblieben. »Nein«, sagte Ruth, reckte sich ein wenig und ließ einen Verschwörerblick durchs Zimmer huschen, »erzähl schon.«
    »Ich glaub es einfach nicht«, sagte er. »Rate mal, wer nach Thanatopsis kommt – für ganze sechs Wochen ?«
    Sie hatte keine Ahnung.
    In der Küche klapperten die Teller. Bob nahm Inas Hand und schlenderte zur Tür hinaus, Sandy gähnte, streckte sich und stand auf. Irving Thalamus beugte sich zu Ruth hinüber, seine Augen glänzten, sein Grinsen war scharf wie das eines Wachhunds. »Jane Shine«, sagte er. »Jane Shine kommt hierher. Kannst du das fassen?«

FEA PURĒ
    Ich will dir helfen, hatte sie geflüstert, als er vor ihrer Tür stand, den Essensbehälter in der Hand. Immer wollten ihm alle helfen. Deshalb feuerten sie ihre Schrotflinten auf ihn ab und hetzten ihre Hunde auf ihn, deshalb spielten sie in den Sümpfen Donna Summer und versuchten ihn mit ihren Motorbooten zu überfahren. Es war der Liebhaber dieser Frau gewesen, ihr bōy-furendo , dieser Rindfleischfresser und Butterstinker, nackt und haarig, mit seinem großen Hundepimmel, der ihm herunterhing wie ein Würstchen; der hatte sein Boot auf ihn zugelenkt, als er halb ertrunken war, und ihn aus dem Laden verjagt, als er halb verhungert war. Der hatte ihm auch nur helfen wollen.
    Trotzdem, sie hatte etwas an sich – er konnte es nicht genau bestimmen, fand das richtige Wort dafür nicht, weder auf Englisch noch auf Japanisch. Sie saß am Schreibtisch, mit dem Rücken zu ihm, und als sie sich umdrehte, sah er ihre seidig schimmernden Beine, lang und schlank, amerikanische Beine, und er sah, wie sich ihre Brüste bewegten, rund und voll. Er erinnerte sich an diese Brüste noch von jener Nacht im Wasser, obwohl er damals verschreckt und erschöpft gewesen war und um sein Leben gekämpft hatte. Er stand kurz vor dem Ertrinken, kurz vor dem Sterben, und da waren ihre Brüste, nackt und verlockend im bleichen Schein des Mondes und der Sterne. Die weiße Haut, daran erinnerte er sich, an ihre weiße Haut dort und weiter unten, eine Haut wie Milch in einer Porzellanschale. Er trat durch die Tür.
    Er hatte schreckliche Angst, obwohl Jōchō und Mishima ihm beistanden – er war sicher, sie würde ihn verraten, würde loskreischen, bis ihr die Mandeln herausfielen, und jeden schwitzenden hakujin -Cowboy und kraushaarigen Neger der Gegend herbeirufen –, dann aber fing er ihren Blick auf und sah, dass sie Angst vor ihm hatte. Eine Weile blieb er in der Tür stehen und beobachtete ihre Miene. Und dann, als er sie weicher werden sah, als ein Lächeln um ihre Lippen spielte und er sie lachen hörte, schlurfte er in den Raum und hockte sich in die Ecke. » Arigatō «, flüsterte er, »danke, danke ich Ihnen sehr.« Und dann öffnete er den Behälter mit Essen und verzehrte den Inhalt.
    Sie bot ihm noch mehr an – Äpfel, Datteln, Kekse –, und er nahm sie, nahm sie voller Gier, obwohl er sich damit demütigte. Er kauerte dort wie ein Tier, schmutziger als er je im Leben gewesen war, aus hundert Wunden blutend und stinkend wie ein Schwein. Und in Lumpen. Gestohlenen Lumpen. Negerlumpen. Jōchō hätte ihn verachtet, Mishima hätte ihm den Rücken gekehrt. Er musste an

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