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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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zu Besuch war oder wie oft er es schon verkündet hatte, dass »Möse eben Möse« sei. Das war sein Wahlspruch. Bisweilen sah er von seiner Suppe auf, musterte pfiffig die Gäste und klatschte in die Hände. Wisst ihr, was ich denke?, verkündete er dann, blickte kurz Septima in die Augen und fuhr fort: Möse ist eben Möse, das denke ich. Und dann, als Saxby und seine Mutter einkaufen waren und das Dienstmädchen Ausgang hatte, schloss er sich in der Vorratskammer ein, mit einer Flasche des billigen Whiskeys, den er für die billigen Säufer dieses großartigen Landes produzierte, und mit genug Seconal, um seinen Aufsichtsrat einen ganzen Monat lang in Tiefschlaf zu versetzen.
    Saxby war damals neun gewesen. Obwohl seine Mutter in Macon geboren und in Marietta aufs College gegangen war, blieb sie zunächst in der großen leeren Villa in Ossining wohnen, statt in die große leere Villa auf Tupelo Island zurückzukehren. In ihrem Kummer und ihrer Ratlosigkeit wandte sie sich wieder der Dichtkunst zu – Gedichte waren die romantische Festung ihrer Jugend gewesen –, und hier fand sie Trost. Sechs Monate danach fuhr sie nach Tupelo Island zurück und gründete Thanatopsis House, »jenes unerforschlich Reich, wo ein jeder/seine Kammer in den stillen Hallen wählen mag …«, und so entsprang aus der Asche ihres verstorbenen Gatten ein Palast der Kunst. Saxby verbrachte drei Jahre mit ihr, und dann, weil die Schulen des Südens »voller weißem Abschaum und Niggers« waren, schickte sie ihn wieder nach Norden, auf die Groton Prep School in Massachusetts. Nach Groton wurde ihm jene Kette von Colleges angelegt, die ihn jahrelang fesselte, bis sie ihn endlich in Kalifornien freiließ, ebenfalls einer Yankee-Bastion. Und deshalb hatte Saxby einen so fremden Akzent. Ja, er war ein Südstaatler, gar kein Zweifel – aber eben nur ein Teilzeit-Südstaatler.
    Es war eine lange Geschichte. Um sie kurz zu machen, rollte er für Abercorn nur die Augen und ließ seinen Akzent so dick werden, dass er troff: »Tscha, Massa Aybacoan, ich weiß einfach nich, wie das kommen tut – weil im Grunde bin ich ja genauso wie alle andan hier.«
    Abercorn antwortete mit überraschtem Gelächter. »Das war gut. Wirklich gut.« Dann steckte er die Kappe auf seinen billigen Kugelschreiber, schob ihn in die Hemdtasche und hielt eine kleine Rede darüber, dass er noch nie auf den Inseln vor der Küste Georgias gewesen sei und dass er gern gewusst hätte, ob Saxby etwas dagegen habe, wenn er mitführe – da er nun einmal ohnehin schon im Boot sitze und so.
    Saxby musterte ihn einen Moment lang – das lange Kinn und die blitzenden Zähne, die farblose Haut und das unnatürliche Haar – und zuckte dann die Schultern. »Warum nicht?«, sagte er und startete den Motor.
    Die erste Augustwoche war so sanft und seidig und süß wie keine andere in Saxbys Erinnerung, und er ließ sich in ihre Umarmung – Ruth, seine Mutter, sein Zuhause – mit einer Unabwendbarkeit hineinfallen, die wie eine Naturgewalt war. Mit Ruth machte er die Nächte durch – da schwenkte er Cocktails, speiste mit Poeten, Malern und Bildhauern, ließ bei den tiefsinnigen Bekenntnissen der allabendlichen Dichterlesung seine Gedanken schweifen, beteiligte sich am zwanglosen Geplauder im Billardzimmer, bis die drückende, lastende Hitze allmählich einer nur um einen Hauch kühleren Brise wich, die vom Meer heranwehte. Morgens schlief
    er lange in die relativ frischen Vormittage hinein, frühstückte dann mit Septima und betrachtete die unbewohnte Perfektion seines Aquariums. Nachmittags ging er fischen, schnorcheln oder schwimmen. An den Abenden war Ruth da, und damit fing der Tag wieder an.
    Sie war schon ein Schauspiel, diese Ruth. Wie eine Politikerin – oder eher wie eine Guerillakämpferin – agierte sie jeden Abend beim Cocktail, beim Essen und im ewigen Auf und Ab der Billardzimmer-Dynamik. Für jeden hatte sie einen kleinen Scherz oder eine Bemerkung parat, für die unnahbare Laura Grobian und den kumpelhaften Thalamus ebenso wie für die kleineren Lichter. Sie war erstaunlich. Welch eine Körpersprache – ein Schürzen der Lippen, ein Runzeln der Stirn, ein Nicken des Kopfes konnten Welten bedeuten; und jedes Mal wenn er hinsah, unterhielt sie sich mit jemand anders. Eben noch hatte sie, ihren Cocktail in der Hand, ein Tête-à-tête mit Peter Anserine und zwei seiner mageren, andächtigen Jünger, gleich darauf stand sie in der anderen Ecke des Raums und lachte mit

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