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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Clara Kleinschmidt, bis beide Tränen in den Augen hatten – und dabei zwinkerte sie ständig Sandy oder Regina, Bob Penick oder ihm zu – sie vergaß ihn nie, ganz egal wie aufgedreht sie war, und die Blicke, die sie ihm zuwarf, funkten zwischen ihnen wie Elektrizität.
    Dann verpasste sie eines Abends die Cocktails, und er stand mit einem Glas in der Hand herum, wobei er sein eigenes Kaliber von Humor und Charme ausstrahlte, aber die ganze Zeit hielt er Ausschau nach ihr. Als sie endlich auftauchte – das Abendessen war halb vorbei, da glitt sie auf ihren Platz neben ihm –, war sie außer Atem, und ihre Augen waren vor Aufregung weit aufgerissen. »Was ist los?«, fragte er, und sie packte seinen Arm und gab ihm einen Kuss, während sie zwischendurch dem halben Tisch zunickte, zuzwinkerte und zulächelte. »Nichts«, sagte sie, »nur die Arbeit, nichts weiter. Diese Geschichte, an der ich gerade sitze, ist einfach ein Wahnsinn. Meine allerbeste.« »Toll«, erwiderte er, und das meinte er auch so. Sie schob sich ein Stück Kalbfleisch in den Mund, dann fragte sie: »Hör mal, können wir morgen nach Darien rüberfahren? Ich muss ein paar Sachen besorgen.« »Sicher«, antwortete er, und sie aß kleine, schnelle Bissen, kaute mit ihren scharfen, gleichmäßigen Zähnen. »Lebensmittel. Kekse und Käse und so Zeug – für mein Studio. Weißt du –«, sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu, »man wird verdammt hungrig da draußen, so ganz allein als Frau.«
    Hungrig. Na gut. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr, und als sie sich küssten, schmeckte er das Fleisch auf ihren Lippen, und alle sahen ihnen zu.
    Und dann, gegen Ende der Woche – er konnte es nicht mehr länger aufschieben, wollte es auch nicht –, musste er noch einmal für Besorgungen wegfahren, diesmal in der Hoffnung, endlich sein Projekt in Gang zu bringen. Er wollte seine Fische holen – jene seltenen, beinahe legendären Fische, mit denen er ein Vermögen machen würde, oder vielmehr: die ihm einen Eintrag in die Annalen der Aquaristik sichern sollten – Geld hatte er schon genug. Ruth wollte ihn nicht begleiten. Diesmal nicht. Die Arbeit ging ihr einfach zu gut von der Hand, sie wollte es nicht riskieren. Er würde ihr fehlen – selbst wenn er nur über Nacht wegblieb –, und sie würde das nächste Mal mitkommen. Das versprach sie.
    Er verbrachte einen vollen Nachmittag und den darauffolgenden Vormittag in sengender Hitze und umgeben von Insektenwolken auf dem Lake Okefenokee, holte Netze ein, zog den Kescher durchs Wasser und stellte Reusen, und dabei fing er auch einen wimmelnden Sack voller faszinierender Wesen – Piratenbarsche, Rotschwanzkärpflinge, schlanke Knochenhechte, Schlammbarsche und Längsbandorfen –, aber nicht das, wonach er suchte. Es war eine Enttäuschung, aber keine niederschmetternde – jedenfalls kein Fehlschlag. Klar, er hatte auf etwas mehr Glück gehofft, aber er war Realist und wusste, dass er den Sumpf möglicherweise hundertmal würde durchkämmen müssen, bis er einen Volltreffer landete. Käpt’n Ahab hatte seinen weißen Wal schließlich auch nicht gleich am ersten Tag gefunden. Trotzdem genoss er die Fahrt, genoss den Tag draußen in der Wildnis, genoss sogar die einsame Nacht in einem Motel in Ciceroville, wo er sich in einem fest an der Wand montierten Farbfernseher ein Spiel der Atlanta Braves ansah. Am Mittag des zweiten Tages brachte er das gemietete Boot zurück und leerte seinen Fang über Bord. (Natürlich war er versucht, ein paar Fische für sein lebloses Aquarium mitzunehmen, vor allem die silbrig schillernden Knochenhechte, doch er widerstand dem Impuls: Er wollte seine kleine Welt nicht mit irgendwelchen aufgedonnerten Viechern besudeln, nur weil sie ihm zufällig über den Weg liefen.) Dann machte er sich auf die Rückfahrt nach Tupelo Island und hoffte, die Nachmittagsfähre zu erwischen und so noch rechtzeitig zur Cocktailstunde zurück zu sein.
    Am frühen Abend nahm er die Kurve der langen ausladenden Auffahrt, und das Große Haus kam in Sicht. Auf dem Rasen an der Südseite herrschte munteres Treiben, und Saxby stellte fest, dass die Kolonisten sich dort für ein abendliches Picknick versammelt hatten, die weißen Sommerkleider der Frauen und die hellen Jacketts der Männer wirkten wie blasse Blüten auf einer Wiese von sattem Grün. Er sah seine Mutter, Strohhut mit Chiffonschleier, aufrecht und fürstlich auf einem hölzernen Gartenstuhl sitzen, und er winkte ihr zu. Ruth musste

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