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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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dagegen, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stelle?«
    Saxby seufzte. Die Sonne war wie Sirup, und alles andere ertrank darin. »Ich hab nur ganz wenig Zeit«, sagte er, stieg ins Wasser, hielt das Boot ruhig und sprang dann routiniert hinein.
    Abercorn wollte etwas über den Vorfall im Laden hören – und er befragte ihn nochmals über jene Nacht im Peagler Sound: Wie sah der Japse eigentlich aus? Wie groß war er? Hatte er sie grundlos angegriffen? –, und Saxby tat ihm seinen Willen, während er am Motor herummachte, die Zündkerzen, den Reservetank und die Anlassleine überprüfte. Mitten in seiner Schilderung der Begegnung im Laden, gerade als Saxby zum besten Teil kam – wie dieser Japaner seine minderwertigen Lebensmittel zusammengerafft und die Schultern vorgeschoben hatte wie ein Footballverteidiger, um an ihm vorbei zur Tür hinauszurasen –, unterbrach ihn Abercorn: »Sagen Sie – darf ich Sie mal was fragen?«
    Ihn etwas fragen? Tat er denn das nicht sowieso gerade?
    »Etwas Persönliches, meine ich.«
    Saxby war mit dem Motor beschäftigt. »Klar«, sagte er. »Fragen Sie nur.«
    »Es geht um Ihren Akzent. Ich meine, ich komme aus L. A., und die Leute hier klingen für mich alle so, als kämen sie vom Arsch der Welt oder so – nichts für ungut –, nur Sie nicht. Aber Sie sind doch von hier, oder?«
    Es war eine Frage, die man ihm schon tausendmal gestellt hatte, und die Antwort war doppelsinnig: Er kam von hier, und dann auch wieder nicht. Er war in Savannah geboren, ja, und er würde einmal die halbe Insel erben, selbst wenn er wie ein Yankee redete. Aber dass er wie ein Yankee redete, lag daran, dass er die Hälfte seines Lebens – die prägende Hälfte – in New York und Massachusetts zugebracht hatte. Daran war sein Vater schuld. Großvater Saxby war noch nicht einmal richtig abgekühlt in seinem Grab, als Marion Lights seine Frau Septima und ihren ein Jahr alten Sohn dem Süden entriss und nach Ossining/New York am Hudson River verpflanzte. Die Familie besaß dort seit undenklichen Zeiten eine Mehrheitsbeteiligung an einer großen, antiquierten Nährmittelfabrik, die Hefe, Margarine, Gin, Wodka und den schlechtesten Whiskey der Welt produzierte. Bislang war die Familie damit zufrieden gewesen, die Fabrik aus der Ferne zu managen, aber Marion hatte andere Vorstellungen. Die Verwaltung des Anwesens auf Tupelo Island (das damals den Namen Cardross trug, nach Cardross Lights, dem Gründer der ursprünglichen Plantage, die immerhin sechs Lights-Generationen überlebt hatte, zudem alle möglichen Dürren, Überschwemmungen und Schädlingsplagen sowie die Bocksprünge des Baumwollpreises und ganze Horden falscher Bankiers und geldgeiler Spekulanten vom Festland) übergab Marion einem schlauen alten Vorarbeiter namens Crawford Sheepwater, ehe er in den Norden zog, um dort Industriekapitän zu werden.
    Saxby starrte Abercorn an, der gerade von seinem Notizblock aufgeblickt und die Frage formuliert hatte, aber vor sich sah er seinen Vater, diesen eigensinnigen und unglaublich depressiven Mann. Jedenfalls war er immer depressiver geworden, je länger sich die Jahre seines Exils hinzogen und er noch immer nicht die Rockefellers, Morgans und Harrimans entthront hatte. Anfangs war er geradezu manisch vor Enthusiasmus gewesen – als Saxby sechs bis acht war, sah er seinen Vater als wahren Wirbelwind, überlebensgroß wie der Cartoon-Cowboy Pecos Bill oder der mythische Holzfäller Paul Bunyan. Er war für ihn ein gerötetes Gesicht beim Abendessen, ein Paar Schultern zum Daraufreiten, ein Liebhaber von Eisenbahnen und komischen Witzen. Saxby , sagte er manchmal mit der sonoren, tiefen Stimme des Südstaaten-Gentlemans, siehst du den Hund da drüben?, und dabei zeigte er auf einen Schäferhund oder einen Beagle, der auf dem Rasen herumtollte, und Saxby nickte. Dieser Hund da, der ist aus Ohio, Saxby , sagte er dann, und ganz egal wie oft Saxby den Witz schon gehört hatte – richtig verstanden hatte er ihn erst, als sein Vater schon lange tot und begraben war –, antwortete er: Woher weißt du das?, und sein Vater gab die Erklärung, im Tonfall eines Professors vor einem Hörsaal voller Veterinärstudenten: Na, weil er ein O unter dem Schwanz hat.
    Und später, kurz bevor er sich in der Vorratskammer der großen grau-weißen Villa mit Blick über den Hudson einschloss, schlenderte er des Öfteren durch die Zimmer, ein schräges Glitzern in den Augen, und verkündete, ohne sich darum zu kümmern, wer gerade

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