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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Vertebraten –, und die Lehrpläne dieser ehrwürdigen, piekfeinen Hochschulen mit ihren Unsummen von Stiftungsgeldern entsprachen einfach nicht seinen Vorstellungen. Nach etwa sechs Jahren des Wanderstudiums gab er schließlich mit Mitte zwanzig das Studium ganz auf, obwohl ihm noch eine ganze Menge Scheine fürs Vordiplom fehlten, und reiste ein wenig in der Welt herum – nach Belize, an den Amazonas, zum Njassa- und zum Tanganjikasee, nach Papua-Neuguinea –, ehe er sich an der Westküste der USA niederließ. Dort lebte er von seinem Treuhandfonds und jobbte für wenig Geld bei »Sea World«, im »Steinhart Aquarium« und als Maat auf einem Sportanglerboot in Marina Del Rey (er steckte dort für blasse, blutleere Männer mit Doppelkinn in Freizeitanzügen die Köder auf die Haken). Im vergangenen Jahr hatte er sogar wieder zu studieren angefangen – am Scripps College, aber nicht in dem berühmten Ozeanografie-Studiengang, wie er seiner Mutter und später auch Ruth erzählt hatte. Er hatte dort mehr oder minder herumgelungert, hie und da eine Vorlesung über die Morphologie der Holothurien gehört und sich insgesamt von Langeweile und Trägheit in einer Art ewiger Jugend fixieren lassen. Und dann war er auf einer Party Ruth begegnet, und Ruth hatte ihn heim nach Georgia gebracht.
    Die Sonne war über den Himmel gezogen, das Ei auf dem Eiersandwich war nicht mehr bloß ungenießbar, sondern brechreizerregend, da ging quietschend die Tür hinter ihm auf, und seine Mutter kam ins Zimmer gerauscht. Sie trug eine alte Malermütze, tief in die Stirn gezogen, Jeans, Sandalen und eine zu weite Bluse, und sie plumpste in ihren Lehnsessel, als hätte sie jemand gestoßen. »An diese Hitze hier gewöhn ich mich nie, und wenn ich tausend Jahre alt werde«, seufzte sie.
    Saxby war ganz woanders gewesen. Er hatte im Geiste alle Aquarien seiner Kindheit vorbeiziehen lassen, all die Guppys, Schwertfische, Mollys und Platys, die er auf ihrem kurzen Weg durchs Leben beobachtet hatte, und von seinem neuen Projekt geträumt, dieser Eingebung, die eine Brücke spannen würde zwischen seinem Jugendhobby und jenem zweckbetonten Ernst, den man von einem Mann in seinem dreißigsten Lebensjahr erwartet. Jetzt sah er abrupt auf. »Du hast doch nicht wieder im Garten gearbeitet?«
    Die Knie ihrer ausgebeulten Jeans hatten verräterische Flecken. Sie versuchte auch gar nicht, es zu leugnen.
    »Mama, bei dieser Hitze? Du wirst dich noch umbringen!«
    Sie winkte ab, als verscheuchte sie eine Fliege. »Sei ein Schatz«, sagte sie, »und hol mir ein Glas Eistee.«
    Wortlos durchquerte er den Raum – er war wütend auf sie; wenn sie schon im Garten herumbuddeln musste, warum tat sie es nicht am Abend? – und ging durch ihr Schlafzimmer in den kleinen Salon und die Küche dahinter. Dies war der alte Kern des Gebäudes, die ursprüngliche Struktur, um die herum DeTreville Lights, Saxbys Urgroßvater, das Haus in seiner jetzigen Form erbaut hatte. Septima hatte diesen Teil für sich reserviert, als ihren privaten Wohnbereich, als sie vor zwanzig Jahren die Künstlerkolonie gegründet hatte. Die Küche mit ihren niedrigen Deckenbalken war lang und schmal, es gab edles Parkett und dicke Backsteinmauern, die Generationen von Putz geglättet hatten. Hier war es kühl, die Fenster lagen im Schatten von riesigen, moosbehangenen Eichen, die älter waren als das Haus selbst. Eulonia White, Wheelers Tochter, saß am Tisch und putzte Krabben. »Sie war schon wieder im Garten«, sagte er und ging direkt auf den Kühlschrank zu.
    Eulonia White war eine gut gebaute Frau um die vierzig mit schlechten Zähnen und einem sanften, entrückten Blick hinter den blitzenden Gläsern ihrer Nickelbrille. Sie gab keine Antwort.
    Saxby goss Eistee aus einem Steingutkrug, und als er eine Zitrone in Scheiben schnitt und ihm der Duft in die Nase stieg, merkte er auf einmal, wie ausgehungert er war. »Sag mal, das wird doch nicht etwa Krabbensalat, Eulonia?« fragte er.
    Sie nickte, was ihre Brille funkeln ließ. »Sie sagt, sie tut heut Abend hier essen wollen.«
    »Wie wär’s mit einem kleinen Sandwich für mich, machst du mir eins? Mit Roggen- oder Weizenbrot – frag mal Rico, ich glaube, er hat beides in der großen Küche –, mit Mayo und Pfeffer und ein bisschen Zitrone. Ja? Ich bin drüben bei meiner Mutter.«
    Zurück im Salon schob er seiner Mutter den kalten Becher in die Hand, griff nach dem abgestorbenen Eisandwich – ausgehungert, total ausgehungert –

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