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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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war ein Junge in Männerkleidern, und das war sein neues Spielzeug.
    Am ersten Tag kippte er etwa hundert Elassoma in sein Aquarium, alle von deprimierendem uniformem Braun, obwohl manche der Männchen, wenn das Licht in einem ganz bestimmten Winkel einfiel, eine ermutigende Grautönung zeigten. Die kaum drei Zentimeter langen Fischlein verschwanden nahezu in den Weiten des siebenhundertfünfzig Liter fassenden Gefäßes, und er begann sich zu fragen, ob ein kleineres Aquarium nicht ebenso zweckdienlich gewesen wäre. Immerhin herrschte jetzt Leben darin, und er war aufgeregt, elektrisiert von derselben Energie, die ihn an seinem achten Geburtstag durchzuckt hatte, als sein Vater ihn mit dem ersten Vierzig-Liter-Aquarium überraschte. Am nächsten Tag setzte er weitere hundert Zwergsonnenbarsche ein, dazu noch etliche Exemplare anderer Arten – Gambusen, Forellenbarsche, Goldaugen, Floridakärpflinge und einen wuselnden kleinen Schwarm von kaum zentimeterlangen Zwergwelsen als Bodenpatrouille.
    Als er am nächsten Morgen – am Tag der Party – aufwachte, stellte er fest, dass dreißig seiner Zwergsonnenbarsche mit dem Bauch nach oben in einem schleimigen Film trieben. Er prüfte den pH-Wert des Wassers, doch der stimmte – leicht sauer, genau wie die torfige Brühe des Sumpfes auch. Ratlos fischte er die bleichen, aufgedunsenen kleinen Leichen heraus und warf sie aus dem Fenster ins Blumenbeet. Als er später am Nachmittag wiederkam, war die Hälfte aller Fische im Aquarium tot – sogar die Welse kämpften dicht unter der Oberfläche um ihr Leben, und die konnte man selbst mit einem Hammer kaum totkriegen. Und dann fiel ihm auf, dass das Wasser von unzweifelhaft gelblicher Tönung war, als schwämmen die Fische in Marinade oder Urin statt in dem klaren Brunnenwasser, das er so sorgfältig gefiltert hatte. Irgendetwas stimmte hier nicht, ganz und gar nicht, daher schlug er Axelrods Exotische Aquarienfische auf, um dem Rätsel auf den Grund zu gehen.
    Das Kapitel »Invasive Organismen« belehrte ihn, dass die von ihm geschaffene unberührte Welt von unerwünschten Elementen infiltriert worden sein dürfte. Im Wasser – seinem Wasser – gediehen offenbar Protozoen – er kannte sie noch aus dem Biologie-Grundkurs: raubgierige kleine Tierchen mit winzigen wimmelnden Schwänzchen – und rotteten die erwünschten Elemente aus. Die Lösung für sein Problem war angeblich Kaliumpermanganat, das die Protozoen vernichten, die Fische aber unversehrt lassen würde; nachdem er die Chemikalie in einer Tierhandlung auf dem Festland besorgt und ins Aquarium gekippt hatte, musste er zusehen, wie auch der Großteil der noch verbliebenen Fische langsam an die Oberfläche trieb und seinen letzten Atemzug tat. Am nächsten Tag tauchte ein Rudel fleischfressender Wasserkäfer aus dem Nichts auf und erledigte die restlichen Überlebenden.
    In Ruths Abwesenheit bot ihm Jane Shine Trost. Nach dem Abendessen führte er sie den Korridor entlang in den hinteren Salon, wo sie gemeinsam auf die blasse Masse von toten Leibern starrten.
    »Es ist ein Jammer«, sagte sie. »So viel Mühe, und alles umsonst.«
    Er beobachtete sie aus dem Augenwinkel, sah ihr vom warmen Schein des Aquariums erhelltes Gesicht und bekam Schuldgefühle. Ruth würde ihn umbringen. Ihn bei lebendigem Leibe auffressen. Aber er war deprimiert und mutlos, und wo war sie denn, wenn er sie brauchte? Er seufzte. »Ich werde wohl das ganze Zeug wegkippen und noch einmal von vorn anfangen müssen.« Er sah sie mit einem kläglichen Lächeln an. »Gott hat das gleiche Problem gehabt. Sagt man jedenfalls.«
    »Es ist so schön«, murmelte sie, den Blick starr auf das Aquarium geheftet.
    Sie sahen zu, wie ein todkranker Floridakärpfling kraftlos an die Oberfläche taumelte, gefangen im spinnenartigen Griff eines Wasserkäfers.
    Jane wandte sich ihm zu. »Es liegt an den Pflanzen«, sagte sie. »Die sind mit den Pflanzen reingekommen.«
    »Ja«, sagte er. »Ich weiß.«
    »Ich würde in irgendein Aquarien-Zentrum fahren – habt ihr so etwas, in Savannah vielleicht? Kauf deine Pflanzen dort. Wenigstens kannst du dann sicher sein, dass sie sauber sind.«
    Er nickte. Aquarien-Zentrum. Es war ja so einfach: Die Natur war unrein und subversiv, und die netten Angestellten im Aquarien-Zentrum würden sie ihm nur allzu gern desinfizieren. Ja, natürlich. Und wie sie das sagte, wie sie jedes Wort herauspresste, als wäre es zu wertvoll, um in die Welt entlassen zu werden, machte sie

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