Der Samurai von Savannah
ihr Schlafzimmer stolperten, riss eine der schweren Tüten auf, sodass die Dosen über den Boden kullerten, aber Ruth hielt ihn zurück, als er sich bückte, um sie einzusammeln. »Das mach ich selbst«, sagte sie, wandte ihm den Rücken zu und beugte sich über die Konserven, als wollte sie sie vor ihm verstecken. Das war komisch. Noch komischer fand er die zwei Dosen, die sie übersehen hatte.
»Makrelen in Sojasauce?«, las er. »Bambussprossen? Was ist denn mit dir los, machst du hier etwa auf Orientalisch?«
Sie fuhr herum, und wenn sie ihm die Dosen auch nicht aus der Hand riss, nahm sie sie ihm jedoch entschieden weg und ließ sie in die unergründlichen Tiefen der Tüte auf dem Tisch hinter ihr fallen. »Nein«, sagte sie dann lächelnd, »nicht direkt. Ich möchte nur … ich will eben mal was anderes probieren.«
»Makrelen in Sojasauce?« Er schüttelte den Kopf und lächelte ebenfalls, und dann warf sie sich ihm in die Arme, aber das Ganze war seltsam, wirklich in höchstem Maße seltsam.
Am Wochenende fuhr Jane Shine mit irgendeinem Clown in einem silbernen Jaguar XKE nach Sea Island, und Saxby sah zu, wie Ruth zu neuem Leben erwachte. Zur Cocktailstunde drehte sie geradezu Pirouetten durch den Salon, und beim Abendessen konnte sie nicht still sitzen, flatterte von Tisch zu Tisch wie eine Klatschreporterin bei einer Premiere. Saxby machte das nichts aus. Er war froh, dass sie glücklich war, ihre Vorrangstellung wieder herausstreichen und wie eine Supernova am Firmament von Thanatopsis funkeln konnte. Und er war auch ganz froh, dass sie den Vorfall bei der Party offenbar vergessen und ihm sein Verhalten in der Jane-Shine-Affäre sowie diverse andere lässliche Sünden vergeben zu haben schien, deren er sich gar nicht unbedingt bewusst, aber dennoch für schuldig befunden worden war. Während sie mit Thalamus am Nachbartisch herumblödelte, lud er seine Aquarianersorgen bei Clara Kleinschmidt ab, nur um sich selbst reden zu hören – und auch, um sich an ihr ein wenig für Arnold Schönberg zu rächen.
Nach dem Essen gab Patsy Arena ein Solokonzert, eine untersetzte, kubanischstämmige Frau mit breitem Gesicht, die aussah, als wäre sie einem Bild von Fernando Botero entsprungen. Sie war neu in der Kolonie, erst vor einer Woche auf Einladung von Clara Kleinschmidt eingetroffen, und sie traktierte den alten Steinway-Flügel im vorderen Salon, als klopfe sie Fleisch weich. Insgesamt wollte sie an diesem Abend drei Stücke spielen, zwei eigene Kompositionen und eine von Clara. Owen dämpfte das Licht. Ruth ergriff Saxbys Hand. Alles räusperte sich, rutschte auf den Sitzen herum und beugte sich beklommen und erwartungsvoll vor.
Peng! Patsy Arena drosch auf das Klavier wie ein Boxer. Stille. Eins und zwei, eins und zwei , flüsterte sie und nickte dabei mit dem Strubbelkopf. Peng! Peng! ließ sie die geballte Faust auf die Tasten krachen. Dann lange Zeit Stille. Drei volle, quälende Minuten lang saß sie stocksteif da und starrte auf den billigen Plastikwecker, der vor ihr auf der glänzenden Ebenholzfläche stand. Schließlich ging der Wecker los – ding-ding-ding –, und Peng! schlug sie wieder auf den Flügel ein. Das Stück trug den Titel Parfait in Chrom und dauerte fünfundvierzig Minuten.
Danach, sozusagen als Dessert, gab es den wöchentlichen Film ( Die Frau in den Dünen von Teshigahara, eine Verbeugung vor Owen, der gerade eine japanische Phase hatte). Fast alle standen sowohl den musikalischen Vortrag wie den Film durch, die letztendlich eine Menge gemeinsam hatten. Das Leben auf Thanatopsis, so stimulierend es für die künstlerische Empfindsamkeit auch sein mochte, bot gewisse Probleme, was die Unterhaltung betraf – Saxby war sich klar darüber, dass die meisten der Gäste es grauenhaft langweilig fanden –, und die abendlichen Lesungen, Konzerte und Ausstellungen stellten ebenso wie die Filmvorführungen kurze Augenblicke der Erlösung in einem höchst kargen Kontinuum dar.
Natürlich hielt das Ruth keineswegs davon ab, den Dialog des Films zur großen Belustigung ihrer Künstlerkollegen spontan abzuändern oder später im Billardzimmer Patsy Arenas Auftritt zu parodieren. Sie versetzte die ganze Mannschaft in hysterisches Gelächter. Alle hatten knallrote Köpfe und platzten fast vor Lachen, als Ruth die ungeschlachten Attacken der Pianistin auf ihr Instrument imitierte, aber dann kam Clara mit ihrem Schützling hereingestampft, und Ruth spielte den Ball geschickt Abercorn zu,
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