Der Samurai von Savannah
getroffen. Der Schutzheilige der Aquarianer war damals auf einer artenkundlichen Expedition gewesen, und er hatte sie in sein Basislager eingeladen, wo sie ein Gericht aus piracuru und Zwiebeln aßen und er ihnen ein Aquarium zeigte, in dem sich eine neue Salmlerspezies tummelte, die er am selben Tag erst entdeckt hatte.
Für Saxby war es die Stimme des Himmels.
Als es spät wurde und Ruth immer noch nicht erschienen war, ging er über die Wiese ins Haus zu ihrem Zimmer hinauf und klopfte zum vierten Mal an diesem Abend an die Tür. Niemand antwortete. Er steckte den Kopf durch die Tür und stellte fest, dass sie weg war. Verwirrt sah er in den beiden Badezimmern im ersten Stock nach, machte rasch im Salon und auf der Veranda die Runde, dann ging er über den Rasen zurück auf die Party, weil er annahm, sie im Gedränge übersehen zu haben. Suchend wanderte er durch die Menge, nahm sich ein Glas Champagner, und als ihm jemand einen Teller mit einem Imbiss reichte, aß er etwas. Sie war nicht auf der Tanzfläche, und sie war nicht an der Bar. Er trank einen Bourbon on the rocks, dann einen zweiten. Er sprach mit Sandy, Abercorn, Regina und Thalamus, Thalamus hatte sie vor ungefähr einer Stunde gesehen, da ging sie gerade von der Bar weg – ob er sie schon auf der Tanzfläche gesucht habe? Saxby beteuerte, dort sei er bereits gewesen, dann kippte er den nächsten Bourbon, weil er sich die ganze Sache nicht erklären konnte. Er ging zurück ins Haus und fragte jeden, den er traf, ob sie irgendwo gesehen worden war, und er suchte nochmals in den Badezimmern und in der Küche. Sie war verschwunden.
Er kehrte wieder hinaus auf die Party zurück, trank einen Bourbon mit Wellie Peagler und spülte mit einem Glas Champagner nach. Wellie repräsentierte eine Gruppe von Investoren, die auf der Insel einen Golfplatz anlegen und ein Freizeitzentrum bauen wollten, und ehe er sich’s versah, stritt Saxby voller Leidenschaft für die Unantastbarkeit und die historische Bedeutung von Tupelo Island, schnappte sich ein Glas Champagner von einem vorbeischwenkenden Tablett und beschied Wellie, er könne sich seine Investoren in den Arsch schieben. Wellie nahm es nicht krumm – er musterte ihn nur mit väterlichem Lächeln und machte ihn dann mit einem großen, blassen, polternden Kerl bekannt, der sich als Risikounternehmer vorstellte, und man stieß darauf an – auf das Risikounternehmertum –, und als Nächstes auf Neunereisen und auf Birdies und Eagles. Und dann, bevor er recht wusste, was geschah, kam eine Frau, mit der er eine kurze Affäre gehabt hatte, als er Weihnachten vor zwei Jahren auf Besuch bei seiner Mutter gewesen war, ergriff ihn am Arm und zog ihn auf die Tanzfläche. An den Rest erinnerte er sich nur verschwommen, obwohl er noch wusste, dass er sich irgendwann an der Bar unterhielt – mit wem und worüber, hatte er vergessen –, als seine Mutter ihm die Hand auf den Arm legte und fragte, wo eigentlich Ruth sei.
Ruth. Der Name stieg wie aus der untersten Schublade seines Gedächtnisses auf. Ihr Gesicht trat ihm vors geistige Auge, und es war wutverzerrt. Er sah seine Mutter an und zuckte die Achseln.
Ob es ihr gut gehe?, wollte seine Mutter wissen. Fühlte sie sich schlecht? Hatten sie Streit gehabt?
Er verteidigte sich in aller Unschuld – nein, sie hätten nicht gestritten, er suche sie schon den ganzen Abend –, und er wollte sich gerade noch einen Drink holen, als Septima sich bei ihm einhängte und mit zittriger Stimme verkündete, sie sei müde. Sie behielt ihn während der folgenden endlosen Verabschiedungen fest im Griff und zerrte ihn dann über den Rasen, die Stufen empor und ins Haus hinein, wo sie ihn ins Bett brachte. Der Schlaf kam wie eine Guillotine.
Am nächsten Morgen hatte er Kopfschmerzen.
Rico machte ihm ein paar verlorene Eier und eine Bloody Mary, und er aß die Eier und kippte den Drink, fühlte sich aber nur noch schlechter davon. Erst gegen zwei Uhr nachmittags schaffte er es ins Obergeschoss, um nach Ruth zu sehen. Ihr rätselhaftes Verschwinden war ihm wieder eingefallen, als er wie betäubt zugesehen hatte, wie aus seinem Ei der Dotter herausfloss, und er abwägte, ob sein Magen so schwere Kost überhaupt verkraften konnte. Ruth, dachte er. Teufel noch mal, was war eigentlich mit Ruth gewesen? Während er die Treppe hinaufging, hatte er die Vorahnung einer Krise, ein ominöses, unausweichliches Gefühl, aber er schrieb es diversen Fehlzündungen seiner Neuronen und dem Ei
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