Der Sand der Zeit
Sinnestäuschung gewesen sein«, beharrte Havilland. Aber seine Stimme klang jetzt fast verzweifelt.
»Sinnestäuschungen hinterlassen keine Wunden, Professor«, wandte Becker schüchtern ein.
Ich war ein wenig überrascht, daß er so offen meine Partei ergriff, aber Havilland reagierte eher wütend darauf.
»Manchmal schon«, behauptete er. »Wenn man sich etwas nur fest genug einbildet, dann …«
»Dann schauen Sie sich den Schaden an meinem Schiff an, Professor«, unterbrach ihn Crandell. »Ich glaube nicht, daß sich meine Yacht nur eingebildet hat, dieses Boot zu rammen«, fügte er spöttisch, aber auch hörbar verärgert, hinzu.
Havilland seufzte. Er wirkte wie ein in die Enge getriebenes Tier, daß noch immer um sich beißt, obgleich es längst begriffen hat, daß es keine Chance mehr hat. »Nein«, gestand er. »Natürlich nicht. Ich glaube Ihnen ja, daß Sie irgend etwas gerammt haben. Ich glaube Ihnen sogar, daß es dieses Boot gegeben hat. Aber der ganze Rest … ich meine, diese anderen Schiffe, und der … dieser Tote …« Er lachte. Es klang unsicher. »Sie müssen zugeben, daß es nicht besonders glaubhaft klingt. Für den Schaden an Ihrem Boot komme ich natürlich auf, Hendrick.«
Crandell nickte, aber es war ihm anzusehen, daß es ihm in diesem Augenblick wahrhaftig nicht darum ging. Gleichzeitig schien er allerdings auch einzusehen, daß es wenig Zweck hatte, jetzt noch weiter in Havilland zu dringen. Der Professor wollte einfach nicht glauben, was wir ihm erzählten.
»Dann werde ich jetzt zurückfahren und mich um mein Schiff kümmern«, sagte er.
»Tun Sie das, Hendrick«, sagte Havilland fast hastig. »Und noch eines …«
Crandell sah auf. »Ja?«
»Ich muß Sie nicht extra darum bitten, niemandem von Ihrem … Erlebnis zu erzählen, nicht wahr?«
Crandell lachte leise. »Kaum. Glauben würde es mir ja sowieso keiner.« Er verabschiedete sich mit einem Kopfnik-ken von uns und ging, aber sowohl Havilland als auch Becker schwiegen, bis nach einer Weile das Zuschlagen der schweren Eingangstür bewies, daß er das Haus endgültig verlassen hatte. Dann wandte sich Havilland mit einem Seufzer wieder an mich.
»Und nun zu Ihnen, Mr. Craven«, begann er.
Ich zog eine Grimasse. »Wollen Sie mir auch einreden, zu niemandem davon zu sprechen?« fragte ich.
»Bitte seien Sie doch vernünftig«, sagte Havilland. »Lassen Sie uns in aller Ruhe darüber reden, bitte.«
»Was gibt es da zu reden?« fragte ich verärgert. »Wir haben Ihnen erzählt, was wir erlebt haben, und Sie glauben es nicht.«
»Aber das stimmt doch gar nicht«, antwortete Havilland.
Ich blickte ihn verblüfft an, und plötzlich lächelte er.
»Schauen Sie, ich wollte warten, bis Hendrick weg ist. Er ist ein netter Bursche, aber niemand, der Verständnis für …
solche Dinge hätte.«
Ich dachte einen Moment lang darüber nach, was er wohl mit solchen Dingen genau meinte, entschied dann aber, daß es für unser ohnehin angeknackstes Verhältnis vielleicht besser war, dies nicht zu genau zu ergründen. »Dann glauben Sie mir?«
»Ja«, antwortete Havilland. »Und nein.« Er lächelte abermals und machte eine erklärende Geste. »Schauen Sie, ich glaube Ihnen, daß Sie, Sie alle drei, der festen Überzeugung sind, dies alles erlebt zu haben. Ich glaube, daß es dieses Schiff wirklich gegeben hat und daß es jetzt dort draußen auf dem Meeresgrund liegt, von Crandells Yacht in zwei Teile zerschnitten. Aber alles andere …«
»Professor, dieser Mann war da«, sagte Becker eindringlich. »Ich habe ihn gesehen. Ich habe ihn gehört. Ich … ich habe ihn … gerochen.«
Havilland seufzte. Langsam ging er zu seinem Stuhl zu-rück, setzte sich und blickte Becker und mich eine Weile abwechselnd an. Dann seufzte er wieder.
»Ja, er war da«, sagte er. »Aber nicht wirklich, sondern nur hier oben.« Er berührte mit zwei Fingern seine Stirn. Dann sah er mich durchdringend an. »Gerade Sie sollten verstehen, was ich meine, Mr. Craven.«
»So?« sagte ich.
Havilland nickte. »Schauen Sie, ich war heute morgen ein wenig … rüde zu Ihnen. Aber ich glaube, Jake hat Ihnen erklärt, warum das so ist.«
»Heute morgen war die Situation völlig anders«, sagte ich, aber Havilland unterbrach mich sofort wieder.
»Ich habe Sie nicht hinausgeworfen, weil ich Ihnen nicht glaube, Mr. Craven«, sagte er. »Im Gegenteil. Ich bin zwar Wissenschaftler, auch wenn einige meiner geschätzten Kollegen dies bezweifeln,, aber ich glaube
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