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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seinen Augen so etwas wie Beunruhigung zu erkennen,
    vielleicht sogar Furcht.
    »Dasselbe wie heute morgen, nicht wahr?« fragte er.
    Statt einer direkten Antwort deutete ich auf die Nebelbank.
    »Haben Sie ein Fernglas im Wagen, Jake?«
    Er nickte, beugte sich halb über mich und öffnete das Handschuhfach. Unter einem Wust von Papieren, zusammengeknüllten leeren Zigarettenschachteln und Bierdosen förderte er einen zerschrammten Armee-Feldstecher zutage, den er mir reichte.
    Ich setzte das Glas an und blickte einen Moment lang mit klopfendem Herzen in den Nebel hinaus. Aber ich konnte auch durch die vergrößernde Optik nichts erkennen. Wenige hundert Yards vor der Küste schien das Meer einfach aufzuhören, gefressen von dem wogenden grauen Nichts.
    Wortlos reichte ich den Feldstecher Becker zurück, der ebenfalls hindurchsah, sehr lange und sehr angespannt, wie ich registrierte.
    »Fahren Sie zurück, Jake«, bat ich. »Ich … ich muß noch einmal mit Havilland sprechen. Wenn er das da sieht, dann wird er mir glauben.«
    Becker setzte den Feldstecher ab, sog hörbar die Luft ein und warf mir einen resignierten Blick zu.
    »Das hat keinen Sinn, Robert«, sagte er. »Es geht nicht darum, ob Havilland Ihnen glaubt oder nicht. Ganz im Gegenteil, er glaubt Ihnen ja ohnehin.«
    »Und gerade da liegt das Problem, nicht wahr?« fragte ich.
    Becker starrte mich einen Moment lang mit eng zusam-mengepreßten Lippen an, dann nickte er. Ich konnte direkt sehen, wie schwer ihm die kleine Bewegung fiel.
    »Es gibt da etwas, was Sie mir nicht erzählt haben, Jake«, fuhr ich fort.

    »Wie … kommen Sie darauf?« fragte Becker nervös. Er wich meinem Blick aus und starrte wieder den Nebel an.
    Aber ich spürte, daß ich mit meiner mehr oder weniger blind abgeschossenen Bemerkung genau ins Schwarze getroffen hatte. Havillands Nervosität hatte einen Grund; einen ganz anderen Grund, als ich bisher vielleicht angenommen hatte.
    »Erzählen Sie es mir, Jake«, bat ich. »Es könnte wichtig sein. Vielleicht lebenswichtig für Havilland.«
    Becker atmete tief ein und wich abermals meinem Blick aus. Aber ich beging nicht den Fehler, weiter in ihn zu dringen.
    Und nach einer Weile begann er auch ganz von selbst:
    »Heute morgen, Robert, als Sie an der Tür gelauscht haben,
    was haben Sie da gehört?«
    »Nicht viel«, gestand ich mit einem verlegenen Grinsen.
    »Jedenfalls nicht das, worauf es anzukommen scheint. Was hat ihn an meinem Bericht so erschreckt?«
    Becker zündete sich mit zitternden Fingern eine Zigarette an, ehe er antwortete: »Was wissen Sie über den Professor, Robert?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Nur das, was ich in ein paar Fachzeitschriften gelesen habe.«
    Becker nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. »Die meisten halten ihn für einen Amerikaner«, begann er. »Sein Name klingt amerikanisch, und er spricht ein so gutes Englisch, daß er selbst einen Harvard-Professor täuschen könnte.«
    »Aber das ist er nicht«, vermutete ich.
    »Nein. Havilland ist Norweger.«
    »Norweger?« Ich starrte ihn an. Ein furchtbarer Verdacht stieg in mir empor. »Sie wollen sagen, daß,«
    »Die Geschichte ist ein bißchen komplizierter, als die meisten glauben«, unterbrach mich Becker. »Sehen Sie, Havilland ist … ist davon überzeugt, daß es einer … einer seiner Vorfahren war, der Amerika wirklich entdeckte. Er kann es beweisen, Robert.«
    »Und der Name dieses Vorfahren war …«
    Becker sah mich auf eine Art an, die mich abrupt verstummen ließ. Nervös sog er an seiner Zigarette. Seine Hände zitterten, und er stieß den Rauch wieder aus, ohne ihn zu inhalieren. Man mußte wahrlich kein großer Menschenken-ner sein, um zu erkennen, wie schwer es ihm fiel, weiterzu-sprechen.
    »Hören Sie zu, Robert«, sagte er. »Ich … ich habe Havilland mein Ehrenwort gegeben, zu keinem Menschen darüber zu sprechen, verstehen Sie, zu niemandem, ganz egal, was auch passieren mag. Aber ich … ich glaube, es muß sein.
    Vielleicht hängt sein Leben davon ab.«
    »Oder das zahlloser anderer«, fügte ich hinzu.
    Becker nickte. Er wirkte sehr müde. »Ich weiß«, sagte er.
    »Dieser Urahne, von dem ich gesprochen habe, Robert. Es ist Erickson.«
    »Erickson?« Ich starrte ihn fassungslos an. »Leif Erickson?«
    »Ja. Ich … habe genau dasselbe gedacht wie Sie, als er es mir sagte, aber mittlerweile … hat er mich fast überzeugt. Ich glaube, daß er die Wahrheit sagt. Havilland ist ein

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