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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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durchaus an übersinnliche Wahrnehmungen. Sie haben es ja selbst gesagt: Vielleicht ist das, was wir im allgemeinen mit Magie bezeich-nen, nichts anderes als eine Wissenschaft, deren Grundlagen wir nur noch nicht begreifen. Einem Steinzeitmenschen wäre ein Fernseher auch wie Zauberei erschienen, nicht wahr?«
    »Dann glauben Sie also auch, daß mein Traum,«
    »Auf Wahrheit beruht?« Havilland machte ein bekümmertes Gesicht und nickte. »Oh ja. Ich habe keine Sekunde lang daran gezweifelt. Ich möchte fast sagen, ich weiß, daß es so war.
    Schauen Sie, Ihr Manuskript enthält so viele Beweise, die Antworten auf so viele Fragen … Ich bin sicher, daß es ganz genau so gewesen ist. Bis hin zu dem Fluch, den Hellmark ausgesprochen hat.«
    »Und vielleicht erfüllt er sich jetzt gerade«, sagte ich düster.
    »Aber nicht in der Form, daß die Toten aus ihren Gräbern aufsteigen«, sagte Havilland leise. »Ich glaube durchaus, daß der menschliche Geist … mehr ist als ein elektrisches Spannungsfeld. Vielleicht ist er wirklich unsterblich, und vielleicht kann er unter gewissen Umständen wirklich die Jahrtausende überdauern.« Er stockte. Er wirkte nervös, ja, fast ängstlich, aber ich schob diesen Eindruck auf das, was er gehört hatte.
    »Außerdem sind Sie wohl kaum der Verantwortliche für das, was Hellmark geschah«, fuhr er nach einer Weile fort.
    »Warum sollten sie sich an Ihnen rächen, Mr. Craven?«
    Für eine Sekunde hatte ich das Gefühl, die Antwort zu kennen. Aber der Gedanke entschlüpfte mir, ehe ich ihn vollends ergreifen konnte.
    »Und was gedenken Sie jetzt zu unternehmen?« fragte ich.
    Havilland zuckte mit den Schultern. »Was sollte ich tun?
    Es gibt nichts, was ich unternehmen könnte, Mr. Craven, so wenig wie Sie.« Er stand auf. »Jake wird Sie in die nächste Stadt fahren. Ich danke Ihnen für Ihre Mühe.«
    Ich starrte Havilland volle zehn Sekunden lang mit aufgerissenem Mund an, ehe ich begriff, was er mit diesen Worten meinte. »Sie … Sie wollen trotzdem, daß ich gehe?« ächzte ich.
    »Natürlich.« Havilland nickte. »Jetzt mehr denn je. Ich hoffe, Sie glauben mir, daß es keine persönliche Sache ist,
    im Gegenteil. Ich denke, wir hätten Freunde werden können, wenn wir uns unter … sagen wir: weniger ungünstigen Umständen getroffen hätten. Aber ich kann und will mir in dem Stadium, in dem sich meine Arbeit gerade befindet, kein Risiko leisten. Ich muß Sie bitten, mein Haus zu verlassen.«
    »Dann nehme ich mir eben ein Hotelzimmer«, sagte ich trotzig.
    Havilland lächelte matt. »Es gibt kein Hotel hier«, sagte er.
    »Und auch niemand, der Sie privat aufnehmen würde. Ich kann Sie natürlich nicht zwingen, den Ort zu verlassen, aber wenn Sie darauf bestehen hierzubleiben, werden Sie wohl auf der Straße übernachten müssen.« Er lächelte wieder, aber es war ein kaltes, unpersönliches Lächeln, und als ich in seine Augen blickte, begriff ich, daß er seine Worte bitter ernst meinte. »Es wäre wirklich klüger, wenn Sie sich von Jake in die nächste Stadt bringen lassen würden.«
    Und genau das tat ich dann auch.
    Genauer gesagt, ich versuchte es.

    Der Motor von Beckers altersschwachem Dodge klang, als wollte er jeden Augenblick auseinanderfallen, und die warme Luft, die aus den Schlitzen der Heizung im Armaturenbrett drang, roch ein bißchen nach verbranntem Gummi.
    Ich bemerkte es kaum. Mein Blick war wie gebannt auf das Meer gerichtet, an dem sich die Küstenstraße entlang-zog; auf das Meer und die graue, brodelnde Masse, die den Ozean zu einem Gutteil verschlungen hatte.
    Es war Nebel.
    Der gleiche, unheimliche Nebel, den wir schon am Morgen gesehen hatten. Aber er war dichter geworden. Dichter und irgendwie kompakter, als hätte er mehr Substanz angenommen. Wie eine undurchdringliche graue Wand lag er in einem weit geschwungenen Halbkreis vor der Küste, und obwohl es noch immer völlig windstill war, wogte und brodelte die graue Mauer, als würde sie vom Sturm ge-peitscht. Dünne, halb zerfaserte Ausläufer tasteten wie zitternde Finger in Richtung Küste, und da und dort berührte das graue Nichts bereits den flachen, weißen Sandstrand.
    Irgend etwas Finsteres lauerte dort draußen, das spürte ich mit quälender Deutlichkeit.
    Ich erwachte erst aus meinen düsteren Gedanken, als Becker auf die Bremse trat und der Dodge mit einem leichten Schaukeln zum Stehen kam. Ich sah auf. Beckers Blick irrte in die gleiche Richtung wie meiner, und ich glaubte auch in

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