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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Blick ausgesehen hatte. Ich hatte ihn flüchtig untersucht, ehe Lasse mich sanft, aber entschieden zur Seite geschoben und sich des Verletzten selbst angenommen hatte. Mein anfänglicher Protest war rasch verstummt, als ich sah, wie geschickt der scheinbar so grob-schlächtige Wikinger dabei vorging.
    »Und er wird bald wieder gesund sein. Aber vorerst kann er nicht laufen.« Lasse erhob sich seufzend auf die Knie, griff nach meiner hilfreich ausgestreckten Hand und deutete mit einer Kopfbewegung auf den bewußtlosen Krieger hinab. »Wir werden eine Trage für ihn bauen müssen.«
    »Ist das ein Problem?« fragte ich.
    Lasse verneinte. »Nein. Kein Problem. Der Weg ist nicht mehr sehr weit. Du hast ihn gerettet. Ich schulde dir Dank.« Er schwieg einen Moment, blickte erst auf den reglosen Krieger hinab und dann nach Norden, dorthin, wo die Höhlen liegen mußten, die unser Ziel waren. Ich spürte, daß er etwas sagen wollte, aber aus irgendeinem Grund zögerte er noch.
    Mein Blick glitt an dem rotbärtigen Wikinger vorbei über die Lichtung. Die vier Krieger, die Lasse geblieben waren, waren bereits damit beschäftigt, Äste für eine Trage zurechtzuschnei-den. Die Indios hatten sich wieder erhoben und bildeten einen weiten, an einer Seite offenen Kreis um uns herum. Setchatuatuan stand etwas abseits und redete mit leiser Stimme mit einem der Männer. Die Blicke, die die beiden mir und Lasse von Zeit zu Zeit zuwarfen, waren von einer Mischung aus Furcht und Ehrerbietung erfüllt. Das heißt, die Blicke des Indio-Kriegers. Den Ausdruck in Setchatuatuans Augen vermochte ich nicht genau zu deuten. Aber er gefiel mir nicht besonders.

    »Wer bist du?« fragte Lasse plötzlich.
    Ich spürte, wie schwer es ihm fiel, die Worte auszusprechen.
    Der Jaguar fauchte leise. Lasse Rotbart zog die linke Augenbraue hoch und starrte das Tier an. Die Raubkatze legte die Ohren an den Schädel und drängte sich dichter an meine Seite.
    Rasch legte ich ihr die Hand zwischen die Ohren und begann sie zu kraulen. Ich konnte spüren, wie sich das Tier beinahe augenblicklich wieder beruhigte.
    »Wer soll ich schon sein?« fragte ich in bewußt beiläufigem Ton. »Ich,«
    »Setchatuatuan und seine Männer halten dich für einen Gott«, unterbrach mich Lasse. Seine Stimme bebte. Er lächelte, aber es wirkte unsicher und war nur ein Versuch, seine Nervosität zu überspielen. »Bist du es?«
    Ich zögerte zu antworten. Wahrscheinlich wäre es ein leichtes für mich gewesen, die Frage mit Ja zu beantworten und mich damit zum unumschränkten Herrscher über diesen kleinen Haufen Verlorener zu machen. Aber ich war nicht hierher gekommen, um zu herrschen. Ich hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Und ich fand, daß es allmählich an der Zeit war, herauszufinden, worin sie überhaupt bestand …
    »Gehen wir dort hinüber«, sagte ich mit einer Kopfbewegung zu einer freien Stelle am Waldrand. Lasse nickte wortlos und folgte mir. Auch der Jaguar blieb dicht an meiner Seite, wie ein Hund, der seinem Herrn folgt. Die Indios machten uns respektvoll Platz, aber ich war nicht sicher, wem sie auswichen, dem riesigen Jaguar oder mir.
    »Also?« sagte Lasse, als wir außer Hörweite der Olmeken und ihres Häuptlings waren. »Wer bist du? Nur ein Welpe, der gut mit Tieren umgehen kann, oder ein Bote der Götter?«
    Ich unterdrückte ein Lächeln. Lasse war mit seiner Frage näher an die Wahrheit herangekommen, als er wahrscheinlich selbst ahnte.

    »Vielleicht beides«, antwortete ich.
    »Du sagst, du wärest Hellmark begegnet«, fragte Lasse.
    »Wann und wo soll das gewesen sein? Du bist kein Olmeke.
    Du hast helle Haut wie ich. Aber du gehörst auch nicht zu unserem Volk. Woher kommst du?«
    »Aus Britannien«, antwortete ich. Ich hatte mich entschlossen, Lasse die Wahrheit zu sagen, wenigstens zum Teil.
    Der Mann schien mir intelligent genug dazu.
    »Dann bist du mit der zweiten Expedition Leif Ericksons in dieses Land gekommen?«
    »Ich weiß nichts von einer zweiten Expedition«, antwortete ich. »Ich kam auf … einem anderen Weg hierher. Und ich tat es nicht freiwillig.«
    Lasse nickte. »Du bist ein Sklave, und …«
    »Nein«, unterbrach ich ihn. »Da täuscht du dich, Lasse Rotbart. Ich bin so wenig irgend jemandes Sklave wie du. Ich traf Hellmark vor wenigen Tagen.«
    Lasse sog hörbar die Luft ein. »Aber das ist unmöglich«, sagte er. »Hellmark starb vor acht Jahren. Leif Erickson hat ihn umgebracht.«
    »Ich weiß«, antwortete ich. »Aber bevor er

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