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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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starb, sprach er einen Fluch aus. Und um den wahrzumachen, hat mich Odin
    …«
    Ich brach ab, biß mir auf die Lippen und starrte Lasse erschrocken an. Der hünenhafte Wikinger war bleich geworden. Ich verfluchte mich in Gedanken dafür, daß mir der Name des Asen gegen meinen Willen herausgerutscht war, zumal ich nicht einmal sicher war, daß meine Vermutung zutraf. Aber es war zu spät, den Fehler rückgängig zu machen.
    »Odin?« keuchte Lasse. »Odin selbst hat dich geschickt?«
    »Nein«, sagte ich hastig. »Nicht geschickt. Ich bin kein Bote der Götter, Lasse. Ich bin ein Mensch wie du, glaube mir.«
    Lasse schwieg, aber sein Blick streifte den riesigen schwarzen Jaguar, der friedlich wie eine Hauskatze neben mir hockte. »Dein Freund Hellmark schwor, sich für den Verrat, der an ihm begangen wurde, zu rächen«, fuhr ich fort. »Doch um seinen Fluch einzulösen, straft er nun Unschuldige.«
    »Du sprichst in Rätseln«, sagte Lasse.
    Ich lächelte unsicher. »Ich verstehe selbst nicht so ganz, was passiert ist«, gestand ich. »Aber Hellmarks Fluch traf Menschen, die so wenig Schuld tragen wie du oder ich.«
    »Und du?« fragte Lasse lauernd. »Was hast du damit zu tun?«
    »Ich habe versprochen, das Unrecht wiedergutzumachen, das Hellmark widerfuhr«, sagte ich ernst.
    Lasse Rotbart sog hörbar die Luft ein. »Du?« fragte er un-gläubig. »Was willst du schon tun?«
    Ich antwortete nicht sofort. Lasse hatte genau die Frage ausgesprochen, die mir selbst auf der Seele brannte, seit ich in dieser bizarren fremden Welt aufgewacht war. Wie sollte ich zustande bringen, was weder Lasse Rotbart noch seinen Männern noch diesen tapferen Indio-Kriegern in den langen Jahren geglückt war? Wie konnte ich die Rache an Leif Erickson vollziehen? Ich war nicht bereit, einen Mord zu begehen, doch selbst wenn ich es gewesen wäre, ich glaubte nicht, daß es so einfach war. Wäre es bloß Leif Ericksons Tod gewesen, was Hellmark forderte, hätte er das wahrlich leichter haben können.
    »Du sagst, Leif Erickson lebt hier unter den Olmeken?«
    fragte ich anstelle einer direkten Antwort.
    Lasse lachte bitter. »Lebt ist nicht das richtige Wort«, sagte er. »Er herrscht.«
    »Erzähle mir von ihm«, bat ich. »Wenn die Zeit reicht.«
    Lasse blickte rasch zu den Wikingern hinüber. Die vier Männer hatten begonnen, die Trage zusammenzubauen, aber sie würden noch zehn Minuten dazu brauchen, vielleicht mehr.

    »Es gibt nicht viel zu erzählen«, sagte er. »Nach dem Mord an Hellmark gingen wir an Land, Leif Erickson, ich und die anderen Männer. Wir trafen auf Eingeborene und versuchten sie zu unterwerfen.«
    »Ihr versuchtet?« wiederholte ich betont.
    Lasse nickte knapp. »Sie haben uns aufgerieben«, sagte er ruhig. »Kaum drei Dutzend von uns überlebten den ersten Angriff. Dieses Land hier ist anders als das, das wir kennen.
    Der Dschungel und die Sümpfe …« Er schüttelte den Kopf.
    Ein Schatten huschte über sein Gesicht, als quälten ihn plötzlich finstere Erinnerungen. »Wir sind Seefahrer, Robert aus Britannien, keine Baumaffen. Du hast gesehen, wie wenig uns diese Wilden in einem ehrlichen Kampf entgegenzusetzen haben, aber wir kämpften nicht nur gegen sie, sondern gegen dieses Land. Es war der Dschungel, der unsere Leute umbrachte, nicht die Indios.«
    Er hatte sich mit diesen wenigen Worten fast in Rage geredet, so daß er ein paar Sekunden schwieg und an mir vorbei ins Leere starrte, ehe er sich wieder in der Gewalt hatte. »Ich und ein Dutzend Männer wurden vom Rest der Truppe getrennt«, fuhr er fort. »Ich weiß nicht genau, was mit Erickson geschah.
    Er konnte entkommen und fuhr wieder nach Hause. Doch er kam wieder, zwei Jahre später. Mit frischen Kriegern und besser bewaffnet.«
    »Und?« fragte ich, als der Wikinger nicht weitersprach.
    Lasse zuckte mit den Achseln. »Die Niederlage war noch größer als beim erstenmal«, sagte er. »Die Olmeken lockten ihn in die Höhlen von Tucan.«
    »Die Höhlen von Tucan?« echote ich. »Dorthin, wo wir jetzt Unterschlupf suchen?«
    Lasse nickte. »Ja. Man sagt, daß ein Fluch auf diesen Höhlen liegt. Die Olmeken meiden sie wie die Pest, weil sie glauben, daß die Geister der Ermordeten dort herumspuken und die töten, die sich hineinwagen. Das ist natürlich Unsinn. Jedermann weiß, daß die Geister der Krieger in Walhalla leben, aber diese Wilden sind abergläubisch. Die Höhlen sind ein unterirdisches Labyrinth, in dem sich eine ganze Armee verbergen kann,

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