Der Sand der Zeit
uns.«
Ich hätte ihn in dieser Beziehung gründlich aufklären können, aber natürlich tat ich es nicht, zum einen, weil Lasse Rotbart mir sowieso keinen Glauben geschenkt hätte, zum anderen, weil ich viel zu aufgeregt und begierig war, mehr von diesen Legenden zu hören.
»Ein Volk, das vor den Menschen hier war?« fragte ich.
Lasse nickte. »Ein mächtiges Volk. Ein Volk von Dämonen und Ungeheuern, so schrecklich, daß ihr bloßer Anblick tötet«, sagte er. »Es heißt, sie hätten sich unter die Erde zurückgezogen, nachdem ihre Zeit abgelaufen sei. Und manche behaupten, daß es sie noch immer gibt.« Er seufzte, versuchte zu lächeln und zog schließlich eine Grimasse, deren wahre Bedeutung ich nicht erraten konnte.
»Manche von Setchatuatuans Kriegern glauben fest, daß in Wahrheit sie über Aztlan herrschen, und nicht Leif Erickson.«
Sie? Großer Gott, meinte er etwa die … die Großen Alten?
Jenes entsetzliche Dämonenvolk, das die Erde zweihundert Millionen Jahre vor unserer Zeit beherrscht hatte? Das war doch unmöglich.
Aber vielleicht auch nicht, dachte ich. Vielleicht war es nicht ganz so unmöglich, wie ich es gerne gehabt hätte. Sicher, die Großen Alten waren vernichtet und eingekerkert in Gefängnissen jenseits der Zeit. Aber sie lebten, und sie versuchten nach wie vor, ihre alte Macht und Größe wiederzuerlangen. Ich selbst hatte zwei Angriffe dieser unbeschreiblichen Ungeheuer zurückgeschlagen, und ich war nicht so borniert, mir im Ernst einzubilden, daß ich damit die Gefahr auf ewig gebannt hätte.
Vielleicht war das der wahre Grund, aus dem ich hierhergeschickt worden war …
Ich schauderte. Allein der Gedanke an die Großen Alten und ihre häßlichen Dienerwesen, die Schoggothen, ließ mir fast das Blut in den Adern gerinnen.
Und doch … hätte ich die schreckliche Wahrheit nicht längst wissen müssen? Es war nicht das erstemal, daß ich jenen Odem des Fremden, Bösen, unbeschreiblich Feindseligen, der wie ein Pesthauch in diesen feuchten Höhlen hing, spürte, aber erst jetzt erkannte ich ihn wieder.
Was mich frösteln ließ, das war keine abergläubische Furcht.
Es war Magie. Die finsterste, schrecklichste Magie, die der Kosmos je gesehen hatte. Erneut sah ich mich um, und noch während sich mein Blick in die Schwärze jenseits des Feuerscheines bohrte, wurde aus meiner Vermutung Gewißheit: Was ich spürte, war die Anwesenheit der Großen Alten.
An diesem Tag sprachen wir nicht mehr viel, Lasse und ich, denn er schloß kurz darauf endgültig die Augen und schlief ein; und auch ich brachte irgendwie das Kunststück fertig, einzu-schlafen; nach drei Tagen und Nächten, die wir fast ununterbrochen marschiert waren, forderte mein Körper einfach sein Recht. Aber es war ein unruhiger, von Alpträumen und sinnlosen Visionen geplagter Schlaf, in dem ich mich ununterbrochen auf der Flucht vor irgendwelchen körperlosen Mon-stern befand und aus dem ich schweißgebadet und fast erschöpfter als vorher aufwachte, noch immer von dieser seltsam substanzlosen Furcht beseelt und begierig darauf, von Lasse Rotbart noch mehr über Aztlan und die Legenden der Olmeken zu erfahren.
Nur war Lasse Rotbart nicht mehr da.
Es zeigte sich, daß Setchatuatuan ihn und seine Männer zu einem der Stämme im Westen geschickt hatte; ich fragte ihn nicht, wozu, aber es brauchte wahrlich nicht viel Fantasie, um den Grund dieses überstürzten Aufbruches herauszufinden.
Während der nächsten drei Tage blieb ich der Gefangene der Olmeken-Indianer. Sie behandelten mich höflich, fast schon ehrfurchtsvoll, wenn auch in ihrer Ehrfurcht ein nicht geringer Teil an Furcht steckte. Ich bekam zu essen und zu trinken und durfte mich in der Höhle frei bewegen, aber die Indios hielten respektvollen Abstand zu mir, und sie vereitelten jeden meiner Versuche, den Felsendom zu verlassen, sanft, fast demütig, aber sehr energisch. Ich versuchte es allerdings auch nur halbherzig. Selbst wenn ich den Weg hinauf ans Tageslicht gefunden hätte, was nicht sehr wahrscheinlich war,, hätte ich ja doch nicht gewußt, wohin ich gehen sollte. Was mir am meisten zu schaffen machte in diesen drei Tagen, das war die Langeweile. Nicht, daß ich nicht genug Material für allerlei Grübeleien gehabt hätte, aber in meinem Kopf spukten nur Fragen herum, keine Antworten, und ich war auch nicht sicher, ob ich diese Antworten überhaupt wissen wollte.
Plötzlich schien alles einen Sinn zu ergeben. Mein Alptraum, der immer wieder
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