Der Sand der Zeit
gekommen war und jetzt, im nachhinein, mehr denn je den Charakter einer Warnung gehabt zu haben schien, die makabren Ereignisse in Santa Maria De La Arenia und der Umstand, daß alles erst richtig begonnen hatte, nachdem ich auf der Bühne der Geschehnisse aufgetaucht war, meine gespenstische Reise durch die Zeit, nichts von alledem war Zufall. Ich war nicht in die Geschehnisse in Havillands Privatmuseum hineingestolpert, ich war gerufen worden, von irgend jemandem oder irgend etwas, denn es ging hier nicht um eine normale Geistererscheinung, soweit man in diesem Zusammenhang überhaupt von normal sprechen konnte,, sondern um die Großen Alten, und um das Vermächtnis meines Vaters, jenen unheimlichen Teil meiner Seele, den ich von ihm geerbt hatte, so wie er von seinem Vater und dieser wahrscheinlich von seinem. Vielleicht war es schon immer so gewesen, seit es Menschen gab. Vielleicht waren wir,
zusammen mit anderen, die irgendwo unerkannt auf der Erde leben mochten, so etwas wie Wächter, und die Macht, die sich von Generation zu Generation in unserer Familie vererbte, uns nur gegeben, um darüber zu wachen, daß die Großen Alten nie wieder aus ihren Gefängnissen jenseits der Zeit ausbrechen konnten.
Aber wie gesagt, dies alles waren bloß Vermutungen, eingebettet in ein Netz aus Tausenden von Fragen, und es gab im Moment niemanden, der mir darauf antworten konnte oder wollte. Der einzige, der überhaupt mit mir sprach, war Setchatuatuan, und seine Konversation beschränkte sich auf das unbedingt Notwendige, ich glaube, wir wechselten kaum ein Dutzend Sätze miteinander. Die Olmeken schienen unweiger-lich mit Taubheit geschlagen zu sein, kaum daß sie auch nur in meine Nähe kamen, und auch die Fertigkeit des Sprechens zu vergessen, wenn ich eine Frage stellte, bekam ich meistens nur ein Achselzucken oder allenfalls ein blödes Lächeln zur Antwort; wenn überhaupt. Und nach einer Weile gab ich es auf. So war der einzige Gesprächspartner, der mir blieb, der Jaguar. Er wich kaum von meiner Seite, trollte sich nur von Zeit zu Zeit in den finsteren hinteren Teil der Höhle, um etwas zu erledigen, wobei sowohl Mensch als auch Tier am liebsten allein waren, und ich begann schon am ersten Tag mit ihm zu reden, zuerst leise, sinnlose Worte, nur um sein Vertrauen zu erringen und vor allem meine eigene Furcht vor diesem riesigen Raubtier zu überwinden, aber schon am zweiten Tag unterhielt ich mich mit ihm wie mit einem guten Freund,
verrückt, ich weiß, aber wenn Sie einmal drei Tage und Nächte in einer stockfinsteren Höhle eingesperrt sind und als einzige Gesellschaft ein Dutzend taubstummer Indianer haben, dann reden Sie auch mit einem Stein, wenn es sein muß.
Und der Jaguar war kein Stein. Ich hatte mehr und mehr den Eindruck, daß er mir zuhörte, nicht einfach nur auf den Klang meiner Stimme lauschte, sondern die Worte verstand. Nein,
dieser Jaguar war ganz und gar kein dummes Tier, das wurde mir nun endgültig klar.
Setchatuatuan verlor kein Wort über mein seltsames Verhalten, aber die Blicke, mit denen mich die Indios maßen, immer wenn sie glaubten, ich bemerke es nicht, und das aufgeregte Getuschel, das stets darauf folgte, entgingen mir keineswegs.
Ich begriff, daß ich mich alles andere als klug verhielt: Sie hörten mich in freundschaftlichem Ton mit ihrem heiligen Tier reden, sahen mich es behandeln wie eine etwas zu groß geratene Hauskatze und ein- oder zweimal sogar im Spaß mit ihm herumbalgen, kein Wunder, daß sie mich für einen Götterboten hielten!
Aber ich tat nichts mehr, um etwas an diesem Aberglauben zu ändern. Wozu auch? Auf gewisse Weise war ich ja tatsächlich ein Gesandter der Götter, wenn auch auf völlig andere Art, als Setchatuatuan und seine Olmeken ahnen mochten.
Am Morgen des vierten Tages rüttelte mich Setchatuatuan wach, statt wie gewohnt abzuwarten, bis ich von selbst aufwachte. Und er kam auch nicht mit einer Schale Wasser und einer Mahlzeit, sondern wartete ungeduldig, bis ich den Schlaf weggeblinzelt und mich ungeschickt aufgesetzt hatte, ehe er eine rasche, fast befehlende Geste machte, mit der er mir bedeutete, ihm zu folgen.
Wir verließen die Höhle. Wie auf dem Weg hier herunter verlor ich schon nach wenigen Schritten hoffnungslos die Orientierung, aber ich bemerkte immerhin, daß wir einen anderen Weg nahmen als beim erstenmal. Er dauerte länger, und ein- oder zweimal mußten wir gefährliche Kletterpartien über steile Schutthalden oder jäh
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