Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
als sie auf einen Teppich tritt und an einem schwarzen Flügel vorbeigeht. Aus den Augenwinkeln nimmt sie ein Schimmern wahr, dreht rasch den Kopf und sieht ein Cello mit ausgezogenem Stachel.
Es knackt in den Wänden, als fiele die Temperatur im Freien plötzlich um mehrere Grad.
Saga schleicht schnell weiter, hält die Pistole nach unten. Langsam bewegt sie den Finger zum Abzug und zieht ihn behutsam am ersten Druckpunkt vorbei.
Mitten in der Bewegung bleibt sie stehen und lauscht. Im ganzen Haus herrscht vollkommene Stille. Der Flur vor ihr ist dunkler als die übrigen Zimmer, die Doppeltüren sind fast geschlossen.
Saga bewegt sich weiter, hört dann jedoch hinter sich ein scharrendes Geräusch, dreht sich blitzschnell um und sieht, wie Schnee, der vom Dach des Erkers gerutscht ist, am Fenster vorbeifällt.
Ihr Herz pocht wie verrückt.
Als sie sich wieder dem Flur zuwendet, sieht sie eine Hand in der Tür. Jemand hält mit schmalen Fingern den Rand des Türblatts umfasst.
Saga richtet ihre Waffe auf die Tür, um notfalls hindurch zu schießen, als ein schrecklicher Schrei ertönt.
Die Hand rutscht ab und verschwindet, etwas plumpst zu Boden, und die beiden Türen werden aufgeschlagen.
Ein Mann liegt auf dem Boden. Sein Bein zuckt in Krämpfen.
Sie rückt vor und sieht, dass es der Schauspieler Wille Strandberg ist. Er atmet keuchend und hält sich den Bauch.
Große Mengen Blut strömen zwischen seinen Fingern hervor.
Er starrt Saga verwirrt an und blinzelt schnell.
»Ich bin Polizistin«, sagt sie und hört die Treppe zur oberen Etage unter dem Gewicht eines Menschen knarren. »Der Krankenwagen ist unterwegs.«
»Er will sich Mikael holen«, sagt der Schauspieler stöhnend.
175
Mikael flüstert vor sich hin und starrt die abgeschlossene Tür an, als plötzlich der Schlüssel herauskippt und leise klirrend auf den Parkettboden fällt.
Reidar hält die Hand auf den Schmerz in seiner Brust gepresst. Schweiß läuft ihm über das Gesicht. Mittlerweile hat er große Schmerzen. Mehrfach hat er versucht, Mikael zu sagen, er solle fliehen, aber er hat keine Stimme mehr.
»Kannst du gehen?«, flüstert Mikael.
Reidar nickt und macht einen Schritt. Es raschelt im Schloss, und Mikael legt sich den Arm seines Vaters über die Schulter und versucht, ihn in die Bibliothek, den früheren Sitzungssaal, zu lotsen.
Hinter ihnen ertönt aus dem Schloss weiter dieses scharrende Geräusch.
Sie gehen langsam an einem hohen Schrank vorbei und an der Wand entlang, die mit großen Wandbehängen in Holzrahmen bespannt ist.
Reidar bleibt erneut stehen, hustet und schnappt nach Luft.
»Warte«, haucht er.
Reidar lässt die Finger über den Rand des dritten Wandbehangs laufen und öffnet die Geheimtür zu dem Serviergang, der zur Küche hinunterführt. Sie schleichen sich in den engen Gang und schließen möglichst lautlos die Tür hinter sich.
Reidar legt den kleinen Sperrriegel vor und lehnt sich danach an die Wand. Er hustet, so leise er kann, und spürt, dass der Schmerz in seinen Arm ausstrahlt.
»Geh die Treppe hinunter«, flüstert er mit erstickter Stimme.
Mikael schüttelt den Kopf und will etwas sagen, als es in der Tür kracht.
Jurek Walter betritt den Raum.
Sie bleiben wie gelähmt stehen und sehen ihn durch den Stoff der Geheimtür.
Er schleicht geduckt und mit einem langen Messer in der Hand herein und schaut sich um wie ein Raubtier.
Seine ruhigen Atemzüge sind durch die Tür deutlich zu hören.
Reidar beißt die Zähne zusammen und lehnt sich an die Wand.
Jurek Walter ist ihnen jetzt so nahe, dass sein süßlicher Schweißgeruch durch den Stoff zu ihnen hereindringt.
Als er an der Stofftür vorbei in Richtung Bibliothek geht, halten sie die Luft an.
Mikael versucht, Reidar die schmale Treppe hinunterzuführen, bevor Jurek begreift, dass er getäuscht wurde.
Reidar schüttelt den Kopf, und Mikael sieht ihn verzweifelt an.
Ein Husten erstickend, versucht Reidar, einen Schritt zu machen, wankt dabei aber so, dass unter seinem rechten Fuß eine Bodendiele knarrt.
Augenblicklich wendet Jurek Walter sich der Geheimtür zu, und seine hellen Augen werden seltsam ruhig, als er begreift, was er vor sich hat.
Aus dem Flur erschallt ein lauter Knall, und Späne vom Rand des Hochschranks wirbeln durch die Luft.
Jurek schiebt sich zur Seite und geht in Deckung.
Mikael zieht Reidar die enge Treppe hinunter.
Hinter ihnen betritt Berzelius den Flur zur Bibliothek. Er hält Reidars alten Colt in der
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