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Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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unter ihm, und als er vor Mikaels Zimmer steht, packt ihn eine vage Furcht.
    Er schaut sich in dem Gang voller alter Porträtgemälde um.
    Wo er gegangen ist, tickt der Holzboden leise.
    Reidar klopft vorsichtig an Mikaels Tür, wartet einen Moment und öffnet sie.
    »Mikael?«, fragt er in das schwarze Zimmer hinein.
    Reidar hält die Kerze hoch, damit sie das Bett beleuchtet. Die Wände scheinen in ihrem gelben Licht zu schwanken. Die Bettdecke ist zerwühlt und hängt über den Bettrand bis zum Boden herab.
    Er geht weiter in den Raum hinein und schaut sich um, aber Mikael ist verschwunden. Reidar bricht der Schweiß aus, und er bückt sich, um unters Bett zu schauen.
    Plötzlich raschelt es hinter seinem Rücken, und er fährt so schnell herum, dass die Kerze fast erlischt.
    Die Flamme ist ganz klein und zittert bläulich, ehe sie wieder wächst.
    Sein Herz schlägt schneller und beginnt zu schmerzen.
    Da ist niemand.
    Langsam geht er auf die dunkle Türöffnung zu und versucht, etwas zu sehen.
    Aus dem Kleiderschrank dringt ein Scharren an sein Ohr. Reidar starrt die geschlossenen Türen an, geht hinüber, zögert, streckt dann aber die Hand aus und öffnet sie.
    Mikael sitzt hinter die Kleider geduckt im Schrank.
    »Der Sandmann ist hier«, flüstert er und kriecht tiefer in den Schrank hinein.
    »Das ist nur ein Stromausfall«, sagt Reidar. »Wir wollen …«
    »Er ist hier«, flüstert Mikael.
    »Der Sandmann ist tot«, widerspricht Reidar ihm und streckt seine Hand aus. »Hörst du, was ich sage? Felicia ist gerettet. Sie wird wieder gesund, sie bekommt Medikamente, genau wie du, wir fahren jetzt zu ihr …«
    Durch die Wände hört man den Schrei eines Mannes, der zwar gedämpft, aber verzweifelt klingt, als müsse er furchtbare Schmerzen erleiden.
    »Papa …«
    Reidar zieht seinen Sohn aus dem Schrank. Wachstropfen spritzen auf den Boden. Jetzt herrscht wieder vollkommene Stille. Was geht da vor?
    Mikael versucht, sich auf dem Boden zusammenzukauern, aber Reidar zwingt ihn aufzustehen.
    Gemeinsam verlassen sie das Schlafzimmer und gehen durch den Gang zurück. Kühle Luft bewegt sich in Bodenhöhe.
    »Warte«, flüstert Reidar, als er in dem Salon vor ihnen den Fußboden knarren hört.
    Durch die dunkle Türöffnung am hinteren Ende des Flurs tritt ein schlanker Mensch. Es ist Jurek Walter. Die Augen in seinem Schlächtergesicht leuchten, und das Messer, das er in seiner rechten Hand hält, schimmert matt.
    Reidar weicht zurück, verliert seine Pantoffeln und wirft die Kerze auf Jurek. Sie erlischt in der Luft und fällt zu Boden.
    Sie drehen sich um und rennen den Flur hinunter, ohne sich umzuschauen. Es ist dunkel, und Mikael läuft gegen einen Stuhl, fällt fast hin, taumelt gegen die Wand und streicht mit der Hand über die Tapete.
    Ein Bild fällt, und das Glas zerbricht – Splitter schlittern über den Fußboden.
    Sie stoßen eine schwere Tür auf und stolpern in den alten Gang zum großen Saal.
    Reidar muss stehen bleiben, er hustet und sucht tastend nach Halt. In dem Gang nähern sich hastig Schritte.
    »Papa!«
    »Schließ die Tür, schließ die Tür«, bringt er stockend heraus.
    Mikael schlägt die massive Eichentür zu und dreht den Schlüssel drei Mal im Schloss. In der nächsten Sekunde wird die Klinke heruntergedrückt, und es knackt im Türrahmen. Den Blick auf die Tür gerichtet, weicht Mikael zurück.
    »Hast du ein Handy?«, fragt Reidar und hustet.
    »Das liegt in meinem Zimmer«, flüstert Mikael.
    Der Schmerz strahlt durch Reidars Brust in den linken Arm aus.
    »Ich muss mich ausruhen«, sagt er schwach und spürt, dass seine Beine nachgeben.
    Jurek Walter wirft sich mit der Schulter gegen die Tür – es kracht und knirscht in dem massiven Holz, aber sie gibt vorerst nicht nach.
    »Er kommt hier nicht herein«, flüstert Reidar. »Gib mir nur ein paar Sekunden …«
    »Wo hast du das Nitroglyzerinspray? Papa?«
    Reidar schwitzt, und der Druck in seinem Brustkorb ist inzwischen so stark, dass er die Worte kaum herausbringt.
    »Unten im Flur, in meinem Mantel …«

174
    Saga richtet ihre Pistole suchend in jeden Winkel und schleicht durch den Flur zur Treppe im Eingang.
    Sie muss zu Mikael und Reidar hinaufgehen und sie zum Auto bringen.
    Der Himmel ist anscheinend schon eine Spur heller geworden, denn nun kann sie die Gemälde an den Wänden und die Konturen der Möbel erkennen.
    Das Adrenalin in ihrem Körper schärft ihre Sinne.
    Das Geräusch ihrer Schritte verschwindet,

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