Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
Vom Netzwerk:
bekommen habe, und aß gleichzeitig weiter. Lumi legte Küchenpapier unter sein Kinn, versuchte, einen Finger in seinen Mund zu schieben, und wies ihn an, den Mund möglichst weit aufzumachen.
    Seine Gedanken an Lumi wurden zerstreut, als in der Wohnung der Schwester auf einmal eine Lampe anging. Joona sah Roseanna in ihrem Flanellnachthemd telefonieren.
    Die Lampen in den Fenstern wurden wieder ausgeschaltet.
    Eine Stunde verstrich, aber die nähere Umgebung lag verwaist.
    Es wurde langsam kalt im Auto, als Joona im Rückspiegel eine Gestalt wahrnahm. Auf der menschenleeren Straße näherte sich ein geduckt gehender Mensch.

22
    Joona rutschte auf seinem Sitz ein wenig nach unten, verfolgte den Gang der Gestalt im Rückspiegel und versuchte, ihr Gesicht zu sehen.
    Die Zweige des Vogelbeerbaums wippten, als er vorbeiging.
    Im grauen Licht des Umspannwerks sah Joona, dass es Samuel war.
    Sein Kollege kam fast eine halbe Stunde zu früh.
    Samuel öffnete die Autotür, setzte sich auf den Beifahrersitz, schob den Sitz zurück, streckte die Beine aus und seufzte.
    »Du bist groß und blond, Joona … und wir haben es hier im Auto wirklich gemütlich«, sagte er, »aber ich finde es trotzdem schöner, bei Rebecka zu schlafen … und ich will mit meinen Jungen Hausaufgaben machen.«
    »Du kannst mit mir Hausaufgaben machen«, erwiderte Joona.
    »Vielen Dank«, sagte Samuel lachend.
    Joona blickte die Straße hinab, betrachtete das Haus mit den geschlossenen Türen, die rostenden Verankerungen der Balkone und die schwarz glänzenden Fensterscheiben.
    »Wir geben dem Ganzen noch drei Tage«, entschied er.
    Samuel holte seine silberfarbene Thermoskanne mit Yoich heraus, wie er seine Hühnersuppe nannte.
    »Ich weiß nicht, ich habe viel nachgedacht«, sagte er ernst. »Bei diesem Fall passt einfach nichts zusammen … wir versuchen, einen Serienmörder zu finden, den es vielleicht gar nicht gibt.«
    »Es gibt ihn«, entgegnete Joona mit Nachdruck.
    »Aber er passt zu nichts, was wir jemals gelernt haben, er passt in keinem einzigen Punkt zu dem, was die Forschung sagt und …«
    »Das ist der Grund … das ist der Grund dafür, dass keiner ihn gesehen hat«, sagte Joona. »Er ist nur sichtbar geworden, weil er einen Schatten in der Statistik wirft.«
    Schweigend saßen sie nebeneinander. Samuel pustete auf seine Suppe, und auf seine Stirn trat Schweiß. Joona summte einen Tango und ließ den Blick von Roseannas Schlafzimmerfester zu Eiszapfen an der Dachrinne und über schneebedeckte Schornsteine und Lüftungsrohre schweifen.
    »Da ist jemand hinter dem Haus«, flüsterte Samuel auf einmal. »Ich glaube, ich habe eine Bewegung gesehen.«
    Samuel deutete zu der Stelle hinüber, aber alles war traumartig still.
    In der nächsten Sekunde sah Joona, dass von einem Strauch in der Nähe des Hauses Schnee herabwehte, als wäre gerade jemand vorbeigekommen.
    Behutsam öffneten sie die Türen und schoben sich lautlos aus dem Wagen.
    In dem schlafenden Wohnviertel herrschte Stille. Alles, was man hörte, waren ihre Schritte und das elektrische Surren aus dem Umspannwerk.
    Zwei Wochen lang hatte es getaut, dann aber wieder geschneit.
    Sie näherten sich der fensterlosen Giebelseite des Hauses, bewegten sich leise die Grasböschung hinunter und an einem Malergeschäft im Erdgeschoss vorbei.
    Das Licht der nächstgelegenen Straßenlaterne fiel auf den glatten Schnee der offenen Fläche hinter der Häuserzeile. Sie blieben geduckt an der Ecke der Giebelseite stehen und begannen, die Bäume abzusuchen, die in Richtung der Königlichen Tennishalle und des Lill Jans-Walds immer dichter standen.
    Anfangs konnte Joona in der Dunkelheit zwischen den alten, knorrigen Bäumen nichts erkennen.
    Er wollte Samuel gerade das Zeichen zum Weitergehen geben, als er die Gestalt entdeckte.
    Zwischen den Bäumen stand tatsächlich ein Mann. Er rührte sich ebenso wenig wie die schneebedeckten Äste.
    Joonas Herz schlug schneller.
    Der schlanke Mann starrte wie ein Gespenst zu dem Fenster hinauf, hinter dem Roseanna Kohler schlief.
    Der Mann schien keine Eile zu haben, keine offensichtliche Absicht zu verfolgen.
    Joona war instinktiv davon überzeugt, dass der Mann, der dort im Garten stand, der Serienmörder war.
    Das schattige Gesicht war hager und faltig.
    Der Mann stand einfach nur da, als erfülle ihn der Anblick des Hauses mit einer genüsslichen Ruhe, als hätte er sein Opfer bereits in einer Krebsreuse gefangen.
    Sie zogen ihre Waffen, wussten

Weitere Kostenlose Bücher