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Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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aber nicht, was sie tun sollten. Das hatten sie vorher nicht abgesprochen. Obwohl sie Roseanna schon seit so vielen Tagen bewachten, hatten sie sich nie darüber unterhalten, wie sie vorgehen würden, falls sich herausstellen sollte, dass sie Recht behielten.
    Sie konnten ja schlecht hinrennen und einen Mann verhaften, der nur dastand und ein dunkles Fenster ansah. So würden sie zwar erfahren, wer er war, danach aber vielleicht gezwungen sein, ihn gleich wieder laufen zu lassen.

23
    Joona starrte die regungslose Gestalt zwischen den Baumstämmen an. Er spürte das Gewicht seiner halbautomatischen Pistole und wie die Nachtluft seine Finger kalt werden ließ. Neben sich hörte er Samuels Atemzüge.
    Die Situation kam ihnen allmählich fast absurd vor, als der Mann ohne Vorwarnung einen Schritt nach vorn machte.
    Sie sahen, dass er eine Tasche in der Hand hielt.
    Im Nachhinein war schwer zu sagen, woran sie beide schlagartig erkannten, dass sie den Mann gefunden hatten, nach dem sie suchten.
    Der Mann lächelte bloß still zum Fenster von Roseannas Schlafzimmer hinauf und verschwand anschließend zwischen den Büschen.
    Der Schnee auf dem Gras knirschte schwach unter ihren Füßen, als sie ihm hinterherschlichen. Sie folgten den frischen Fußspuren querfeldein durch den schlafenden Laubwald und gelangten nach einer Weile zu einer alten Eisenbahnstrecke.
    In der Ferne sahen sie rechts von sich die Gestalt, die sich auf den Schienen bewegte. Der Mann ging unter einem hohen Mast mit Stromleitungen her, durch die sich kreuzenden Schatten der Gitterkonstruktion.
    Das alte Gleis wurde nur noch für den Güterverkehr benutzt und führte vom Värta-Hafen aus durch den gesamten Lill Jans-Wald.
    Um nicht gesehen zu werden, folgten Joona und Samuel dem Mann im tiefen Schnee neben dem Bahndamm.
    Die Schienen führten unter einem Viadukt hindurch und anschließend in den großen Wald hinein. Auf einmal wurde alles wieder stiller und dunkler. Die schwarzen Bäume mit ihren schneebedeckten Ästen standen dichtgedrängt.
    Schweigend eilten Joona und Samuel weiter, um den Mann nicht zu verlieren.
    Im Sumpfgebiet Uggleviken machte die Strecke eine Kurve. Am Ende dieser Kurve mussten sie erkennen, dass die schnurgerade Eisenbahnstrecke vor ihnen verlassen dalag.
    An irgendeiner Stelle musste der Mann vom Gleis herunter und in den Wald hineingegangen sein.
    Sie stiegen auf den Bahndamm hinauf, blickten in den weißen Wald hinein und gingen zurück. In den letzten Tagen hatte es geschneit, und das Gebiet war praktisch unberührt.
    Dann bemerkten sie die Fußspuren, die sie vorher übersehen hatten. Der schlanke Mann hatte die Schienentrasse verlassen und war geradewegs in den Wald hineingegangen. Die Erde unter der Schneedecke war nass, und die Spuren seiner Schuhe waren bereits dunkel geworden. Zehn Minuten zuvor waren sie noch weiß und deshalb in dem schwachen Licht nicht zu erkennen gewesen, doch nun waren sie so dunkel wie Blei.
    Sie folgten den Spuren in den Wald in Richtung des großen Wasserspeichers. Zwischen den Bäumen war es stockfinster.
    Drei Mal wurden die stapfenden Fußspuren des Mörders von den leichteren eines Hasen gekreuzt.
    Zeitweise war es so dunkel, dass sie glaubten, ihn erneut verloren zu haben. Sie blieben stehen, sahen die Spuren dann wieder und eilten weiter.
    Plötzlich hörten sie helle, jammernde Laute. Es klang, als weinte ein Tier, das Geräusch ähnelte nichts, was Joona oder Samuel je zuvor gehört hatten. Sie folgten den Fußspuren und näherten sich dem Geräusch.
    Der Anblick, der sich ihnen schließlich zwischen den Baumstämmen bot, ähnelte einer Szene, die aus einer grotesken, mittelalterlichen Sage zu stammen schien. Der Mann, den sie verfolgt hatten, stand vor einem flachen Grab. Das Erdreich um ihn herum war schwarz von umgepflügter Erde. Eine dürre, verdreckte Frau versuchte immer wieder, aus einem Sarg zu steigen. Weinend kämpfte sie darum, über den Sargrand zu klettern, doch bei jedem Versuch drückte der Mann sie wieder hinunter.
    Sekundenlang standen Joona und Samuel nur da und starrten, ehe sie ihre Waffen entsicherten und hinstürzten.
    Der Mann war unbewaffnet, und Joona wusste, dass er eigentlich auf seine Beine zielen sollte, zielte aber dennoch auf sein Herz.
    Sie liefen über den schmutzigen Schnee, zwangen den Mann, sich auf den Bauch zu legen, fesselten Arme und Füße.
    Samuel stand keuchend über dem Mann, hatte die Pistole auf ihn gerichtet und sprach mit der

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