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Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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Einsatzzentrale.
    Joona hörte die Tränen in seiner Stimme.
    Sie hatten einen bis dahin unbekannten Serienmörder gefasst.
    Sein Name war Jurek Walter.
    Joona half der Frau behutsam aus dem Sarg und versuchte, sie zu beruhigen. Sie lag bloß keuchend auf der Erde. Als Joona ihr erklärte, Hilfe sei unterwegs, sah er eine Bewegung zwischen den Bäumen. Etwas Großes floh dort, ein Zweig wurde abgebrochen, Fichtenzweige wippten, und Schnee fiel sanft wie Stoff.
    Vielleicht war es ein Reh gewesen.
    Später begriff Joona, dass es Jurek Walters Komplize gewesen sein musste, aber in jenem Moment dachten sie nur daran, die Frau zu retten und ihren Peiniger zu verhaften.
    Es stellte sich heraus, dass die Frau fast zwei Jahre in ihrem Sarg gelegen hatte. Jurek Walter hatte sie offenbar regelmäßig mit Lebensmitteln und Wasser versorgt und das Grab anschließend wieder mit Erde bedeckt.
    Die Frau war erblindet und stark unterernährt, ihre Muskeln waren verkümmert, wundgelegene Stellen hatten sie deformiert, Hände und Füße waren voller Erfrierungen.
    Zunächst glaubte man, sie wäre nur traumatisiert, aber dann stellte man fest, dass sie außerdem schwere Gehirnschäden erlitten hatte.

24
    Als Joona um halb fünf nach Hause kam, schloss er die Tür hinter sich sehr gewissenhaft ab. Mit ängstlich pochendem Herzen hob er Lumis warmen, verschwitzten Körper etwas mehr in die Mitte des Betts, ehe er sich hinlegte und den Arm um sie und Summa legte. Ihm war klar, dass er nicht würde schlafen können, aber er hatte das dringende Bedürfnis, bei seiner Familie zu liegen.
    Schon um sieben Uhr war er wieder im Lill Jans-Wald. Das Gelände war weiträumig abgesperrt worden und wurde bewacht, aber der Schnee rund um das Grab war bereits so von Polizisten, Hunden und Rettungssanitätern plattgetrampelt worden, dass die Suche nach den Spuren eines möglichen Komplizen sinnlos war.
    Bereits um zehn Uhr markierte ein Suchhund eine Stelle in der Nähe des Ugglevik-Wasserspeichers, nur zweihundert Meter vom Grab der Frau entfernt. Die Spurensicherung wurde gerufen, und zwei Stunden später hatte man die sterblichen Überreste eines Mannes mittleren Alters und eines etwa fünfzehnjährigen Jungen ausgegraben. Die beiden waren in eine blaue Plastiktonne gezwängt worden, und die Obduktion ergab, dass sie fast vier Jahre zuvor vergraben worden waren. Sie hatten in der Tonne nur wenige Stunden überlebt, obwohl es ein Atemrohr gab.
    Jurek Walter wohnte im Björnövägen im Stadtteil Hovsjö in Södertälje. Es war seine einzige Adresse. Laut Einwohnermeldeamt hatte er keinen anderen Wohnsitz gehabt, seit er 1994 aus Polen nach Schweden gekommen und ihm eine Arbeitserlaubnis erteilt worden war.
    Jurek Walter arbeitete als Mechaniker in der kleinen Firma Reparaturwerkstatt Menge, wo er Zuggetriebe reparierte und Dieselmotoren instand setzte.
    Alles deutete darauf hin, dass er ein sehr einsames und ereignisloses Leben geführt hatte.
    Der Björnövägen ist Teil eines Wohnviertels mit einheitlicher Bebauung, das Anfang der siebziger Jahre im schön gelegenen Hovsjö in Södertälje angelegt wurde.
    Joona, Samuel und die beiden Kriminaltechniker wussten nicht, was sie in Jurek Walters Wohnung vorfinden würden: eine Folterkammer oder eine Trophäensammlung, Gläser mit Formalin, Gefriertruhen mit Leichenteilen, Regale voller Fotos, die seine Taten dokumentierten?
    Die Polizei hatte das Gelände rund um das Hochhaus und die gesamte zweite Etage abgesperrt.
    Die Beamten zogen Schutzanzüge an, öffneten die Tür und begannen, Trittplatten auszulegen, um keine Beweise zu zerstören.
    Jurek Walter wohnte in einer dreiunddreißig Quadratmeter großen Zweizimmerwohnung.
    Auf dem Fußboden unter dem Briefeinwurf lagen Reklamesendungen. Der Flur war vollkommen leer. In einem Schrank neben der Wohnungstür befanden sich weder Schuhe noch Kleider.
    Langsam gingen sie weiter in die Wohnung hinein.
    Joona war darauf gefasst gewesen, dass sich jemand in der Wohnung verbarg, aber es blieb alles so still, als hätte die Zeit diesen Ort aufgegeben.
    Die Jalousien waren heruntergelassen. Die Wohnung roch nach Sonne und Staub.
    Die Küche war unmöbliert. Der Kühlschrank stand offen und war ausgeschaltet. Nichts deutete darauf hin, dass er jemals benutzt worden wäre. Die Herdplatten waren leicht angerostet. Im Backofen lag auf dem unbenutzten Rost eine Gebrauchsanweisung von Electrolux. Das einzig Essbare in den Schränken waren zwei Konservendosen mit

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