Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
Ananasscheiben.
Im Schlafzimmer stand ein nicht bezogenes, schmales Bett, und im Kleiderschrank hing auf einem Stahlbügel ein sauberes Hemd.
Joona versuchte zu verstehen, was diese leere Wohnung zu bedeuten hatte.
Offensichtlich hatte Jurek Walter dort nicht gewohnt.
Möglicherweise hatte er sie nur benutzt, um eine Postadresse zu haben.
Nichts in dieser Wohnung brachte sie weiter. Die einzigen Fingerabdrücke stammten von Jurek selbst.
Es existierten keine Eintragungen im Strafregister oder in den Akten des Sozialamts. Jurek Walter war nicht versichert, hatte niemals einen Kredit aufgenommen, seine Lohnsteuer war automatisch vom Bruttolohn abgezogen worden, und er hatte nie versucht, etwas von der Steuer abzusetzen.
Es gibt in Schweden ungeheuer viele verschiedene Verzeichnisse mit persönlichen Daten. Im Datenschutzgesetz werden mehr als dreihundert genannt. Jurek Walter war nur in denjenigen aufgeführt, denen kein Bürger entgehen kann.
Ansonsten war er unsichtbar.
Er war nie krankgeschrieben gewesen, nie zum Arzt oder Zahnarzt gegangen.
Er war in keinem Waffenbesitzregister, KFZ-Register, Schulregister verzeichnet, besaß kein Parteibuch und gehörte keiner Religionsgemeinschaft an.
Es wirkte fast so, als hätte er sein Leben nur in der Absicht geführt, möglichst unsichtbar zu werden.
Es gab keine weiterführenden Informationen über ihn.
Die wenigen Personen, die am Arbeitsplatz Kontakt zu ihm hatten, wussten nichts über ihn. Sie erzählten, dass er nie sehr gesprächig, aber ein sehr fähiger Mechaniker gewesen sei.
Auf Nachfrage bei der polnischen Policja, wurde der Landeskriminalpolizei mitgeteilt, dass ein Mann namens Jurek Walter seit vielen Jahren tot sei. Da man diesen Jurek Walter ermordet in einer öffentlichen Toilette des Hauptbahnhofs von Krakau gefunden hatte, konnte man der schwedischen Polizei Fotografien und Fingerabdrücke schicken.
Weder das Bild noch die Abdrücke stimmten mit dem schwedischen Serienmörder überein. Wahrscheinlich hatte er die Identität des richtigen Jurek Walters einfach gestohlen.
Der Mann, den sie im Lill Jans-Wald verhaftet hatten, erschien ihnen immer mehr wie ein beängstigendes Rätsel.
Drei Monate lang fuhren sie damit fort, den Wald zu durchkämmen, aber nachdem der Mann und der Junge in der Tonne geborgen worden waren, wurden keine weiteren Opfer von Jurek Walter gefunden.
Bis Mikael Kohler-Frost in Richtung Stockholm gehend eine Brücke überquerte.
25
Offiziell leitete ein Staatsanwalt die Ermittlungen, aber die Vernehmungen führten von der Verhaftung bis zur Hauptverhandlung Joona und Samuel durch. Während ihrer Gespräche in der Untersuchungshaft gestand Jurek Walter nichts, leugnete aber auch keines der Verbrechen. Er philosophierte lediglich über den Tod und die Bedingungen des menschlichen Daseins. Da es praktisch keine Beweise gab, waren es schließlich die Umstände seiner Verhaftung, das Fehlen anderer denkbarer Erklärungen sowie das gerichtspsychiatrische Gutachten, die am Ende zu seiner Verurteilung führten. Sein Verteidiger ging in Revision, und während man auf die Verhandlung in der nächsten Instanz wartete, gingen die Vernehmungen weiter.
Die Justizvollzugsbeamten im Gefängnis hatten schon viel gesehen, aber Jurek Walters Anwesenheit belastete sie. Er brachte sie dazu, sich extrem unwohl zu fühlen. Wo immer er sich aufhielt, flammten plötzlich Konflikte auf, und zwei Beamte prügelten sich so, dass einer von ihnen in eine chirurgische Ambulanz gebracht werden musste.
Man hielt eine Krisensitzung ab, bei der neue Sicherheitsvorschriften beschlossen wurden. Außerdem entschied man, dass Jurek Walter weder Mithäftlinge treffen noch den Gefängnishof betreten durfte.
Samuel ließ sich krankschreiben, und Joona ging alleine durch den Korridor, in dem vor jeder grünen Tür weiße Thermoskannen standen. Lange schwarze Striemen verliefen über den glänzenden PVC-Boden.
Die Tür zu Jurek Walters leerer Zelle stand offen. Die Wände waren kahl, und das Fenster war vergittert. Das morgendliche Licht spiegelte sich in der abgewetzten Plastikmatratze auf der fest verankerten Pritsche und in dem Waschbecken aus rostfreiem Stahl.
Einige Meter weiter stand ein Polizist in einem dunkelblauen Pullover und unterhielt sich mit einem syrisch-orthodoxen Geistlichen.
»Sie haben ihn in Vernehmungszimmer zwei gebracht«, rief der Polizist Joona zu.
Vor dem Verhörraum stand ein Wachposten, und durch das Fenster sah Joona, dass
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