Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)
doch gar nicht.«
»Nein, da hast du natürlich Recht … unserer Verbindung steht nichts im Wege, wir könnten eine richtige Sommerhochzeit feiern.«
»Ich denke, ich bin noch nicht wirklich reif für diesen Schritt«, erklärt Joona grinsend.
»Ich auch nicht, aber ich habe das Gefühl, es dauert nicht mehr lange«, flüstert Anja in den Hörer.
Dann räuspert sie sich und teilt ihm in einem streng nüchternen Tonfall mit, dass sie Susanne Hjälms Kontaktdaten ermitteln werde.
Joona ist auf dem Weg zu Anders Rönn gerade in den Sandavägen abgebogen, als Anja sich wieder meldet.
»Die Sache ist ein bisschen seltsam«, meint sie mit ernster Stimme. »Susanne Hjälms Telefonnummer existiert nicht mehr, genauso wenig wie die ihres Mannes. Er ist seit drei Monaten nicht mehr an seinem Arbeitsplatz bei der Versicherung aufgetaucht, und die beiden Kinder sind nicht in der Schule gewesen. Die Mädchen sind mit ärztlichem Attest krankgeschrieben, aber die Schule hat inzwischen trotzdem das Jugendamt eingeschaltet …«
»Wo wohnt sie?«
»Biskop Nils väg 23 in Stäket, Richtung Kungsängen.«
Joona fährt rechts heran und lässt den Lastwagen hinter sich vorbei. Schnee wirbelt von der Fracht auf der Ladefläche hoch.
»Schick einen Streifenwagen zu der Adresse«, sagt Joona und wendet.
Der rechte Vorderreifen gerät auf den Bürgersteig, die Federung des Wagens knirscht, und das Handschuhfach springt von dem heftigen Stoß auf.
Er versucht, nicht zu weit vorauszudenken, fährt aber trotzdem immer schneller. Er ignoriert eine rote Ampel, überquert die Kreuzung und biegt in den Kreisverkehr ein. Schon auf der Autobahnauffahrt fährt er einhundertsechzig Kilometer in der Stunde.
109
Die Landstraße 267 ist schneebedeckt, und hinter dem Wagen wird eine weiße Wolke aufgewirbelt. Joona überholt einen alten Volvo, und die Reifen rollen sanft durch den hohen Schnee zwischen den Fahrbahnen. Er schaltet das Fernlicht ein, und die leere Straße wird zu einem Tunnel mit einem schwarzen Gewölbe über einem weißen Boden. Anfangs fährt er zwischen Äckern hindurch, auf denen der Schnee in der zunehmenden Dunkelheit eine blaue Färbung angenommen hat, dann verläuft die Straße durch dichten Wald, bis das Licht des Sunds namens Stäket vor ihm flimmert und die Landschaft sich zum Mälarsee hin öffnet.
Was ist mit der Familie der Psychiaterin geschehen?
Joona bremst, biegt rechts ab und gelangt in eine kleine Eigenheimsiedlung mit schneebedeckten Obstbäumen und Kaninchenkäfigen auf den Rasenflächen.
Das Wetter ist schlechter geworden, und vom Wasser her wird schräg dichter Schnee herangeweht.
Das Haus im Biskop Nils väg 23 ist eines der letzten in der Siedlung, dahinter gibt es nur noch Wald und Brachflächen.
Susanne Hjälm wohnt in einem großen weißen Einfamilienhaus mit hellblauen Fensternischen und einem roten Ziegeldach.
Alle Fenster sind dunkel, und die Auffahrt ist von unberührtem Schnee bedeckt.
Joona hält kurz hinter dem Haus und hat gerade die Handbremse angezogen, als der Streifenwagen der Polizei von Upplands-Bro bremst und ein paar Meter weiter parkt.
Joona steigt aus, nimmt Mantel und Schal von der Rückbank, geht zu seinen uniformierten Kollegen und knöpft dabei seinen Mantel zu.
»Joona Linna, Landeskripo«, sagt er und streckt die Hand aus.
»Eliot Sörenstam.«
Eliot hat einen kahlgeschorenen Kopf, einen dünnen Kinnbart und schwermütige braune Augen.
Die zweite Polizistin begrüßt Joona mit einem festen Händedruck und stellt sich als Marie Franzén vor. Sie hat ein fröhliches, sommersprossiges Gesicht, blonde Augenbrauen und einen hoch angesetzten Pferdeschwanz.
»Nett, Sie einmal in echt zu sehen«, meint sie lächelnd.
»Schön, dass Sie so schnell kommen konnten«, erwidert Joona.
»Das liegt nur daran, dass ich schnell nach Hause muss, um Elsas Haare zu flechten«, sagt sie freundlich. »Sie will morgen im Kindergarten unbedingt Locken haben.«
»Dann werden wir uns wohl beeilen müssen«, sagt Joona und geht auf das dunkle Grundstück zu.
»War nur ein Scherz, immer mit der Ruhe … zur Not habe ich auch noch einen Lockenstab.«
»Marie ist jetzt schon seit fünf Jahren alleinerziehende Mutter«, mischt Eliot sich ein, »aber sie hat sich noch nie krankschreiben lassen oder ist früher gegangen.«
»Lieb von dir … für einen Steinbock«, sagt sie mit zärtlicher Stimme.
Der Wald hinter dem Haus schützt vor dem Wind vom See, und der fallende Schnee
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