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Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Sandmann: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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ihr.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragt die Ärztin und bleibt vor der Tür stehen.
    »Ich muss wissen, wie die Legionärskrankheit verläuft.«
    »Er wird wieder gesund«, unterbricht sie ihn und öffnet die Tür.
    »Ja, aber was wäre passiert, wenn die Krankheit nicht behandelt worden wäre«, sagt Joona.
    »Wie meinen Sie das?«, fragt sie und begegnet dem Blick seiner grauen Augen.
    »Wir suchen nach seiner Schwester«, erklärt Joona ihr die Situation, »und es erscheint uns ziemlich wahrscheinlich, dass sie sich ungefähr zur gleichen Zeit infiziert hat wie Mikael …«
    »Dann ist die Lage ernst«, sagt Irma Goodwin.
    »Wie ernst?«
    »Ohne Behandlung … es kommt natürlich auf den Allgemeinzustand an und so weiter, aber aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte sie mittlerweile hohes Fieber haben.«
    »Und morgen?«
    »Sie hustet, und das Atmen fällt ihr bereits schwer … exakte Voraussagen lassen sich nicht machen, aber ich würde sagen, gegen Ende der Woche besteht das Risiko von Gehirnschäden und … Sie wissen ja sicher, dass die Legionärskrankheit unbehandelt tödlich ist.«

105
    Am nächsten Morgen macht Saga sich wegen der Dinge, die im Aufenthaltsraum geschehen sind, sogar noch größere Sorgen. Sie hat keinen Appetit und bleibt bis zum Mittagessen apathisch auf dem Bett sitzen.
    Ihre Gedanken kreisen um ihr Versagen.
    Statt Vertrauen herzustellen, hat sie wieder einmal einen Konflikt ausgelöst.
    Sie hat einen anderen Patienten misshandelt, und Jurek Walter hat dafür als Sündenbock herhalten müssen.
    Er muss sie jetzt hassen und wird mit Sicherheit versuchen, sich an ihr für das, was er ertragen musste, zu rächen.
    Sie fürchtet sich nicht sonderlich, da das Sicherheitsniveau auf der Station sehr hoch ist.
    Dennoch muss sie wachsam und auf alles gefasst sein, ohne Angst zu zeigen.
    Als die Tür surrt und das Schloss klickt, geht sie auf der Stelle in den Aufenthaltsraum und verdrängt alle Gedanken. Der Fernseher läuft und zeigt drei Menschen, die in einem gemütlichen Studio sitzen und sich über Wintergärten unterhalten.
    Sie ist die Erste im Raum und geht sofort auf das Laufband. Ihre Beine sind schwer, die Fingerspitzen taub, und bei jedem ihrer Schritte zittern die Plastikblätter der Palme.
    Bernie Larsson schreit in seinem Zimmer, verstummt aber relativ schnell.
    Irgendjemand hat das Blut vom Boden gewischt.
    Plötzlich öffnet sich Jurek Walters Tür. Ein Schatten kündigt seine Anwesenheit an.
    Saga zwingt sich, ihn nicht anzusehen. Mit langsamen Schritten geht er direkt zum Laufband.
    Saga stellt die Maschine ab, steigt herunter und tritt zur Seite, um ihm Platz zu machen. Sie sieht flüchtig, dass er schwarze Wunden auf den Lippen hat und sein Gesicht aschfahl ist. Schweren Schrittes steigt er auf das Band, bleibt dann aber stehen.
    »Du hast die Schuld dafür bekommen, was ich getan habe«, sagt sie.
    »Glaubst du?«, fragt er, ohne sie anzusehen.
    Als er das Band einschaltet, sieht sie, dass seine Hände zittern.
    Wieder ertönt das wischende und säuselnde Geräusch. Bei jedem Schritt, den er macht, erzittert die ganze Maschine. Sie spürt die Vibrationen im Boden. Die Palme mit dem Mikrofon schaukelt und bewegt sich bei jedem Auftreten ein winziges Stück näher an das Laufband heran.
    »Warum hast du ihn nicht umgebracht?«, fragt er und wirft ihr einen kurzen Blick zu.
    »Weil ich das nicht wollte«, antwortet sie ehrlich.
    Sie schaut in seine hellen Augen und spürt das Blut durch ihre Adern strömen, als ihr bewusst wird, dass sie direkten Kontakt zu Jurek Walter hat.
    »Es wäre interessant gewesen zu sehen, wie du es machst«, sagt er ruhig.
    Sie spürt, dass er sie mit unverstellter Neugier ansieht. Vielleicht sollte sie gehen und sich auf die Couch setzen, aber sie beschließt, noch einen Moment stehen zu bleiben.
    »Du bist hier, also hast du wahrscheinlich schon Menschen getötet«, sagt er.
    »Ja, ich habe getötet«, antwortet sie nach einer Weile.
    »Das ist unausweichlich«, sagt er bestätigend.
    »Ich will nicht darüber reden«, murmelt Saga.
    »Es ist weder gut noch schlecht zu töten«, fährt Jurek Walter seelenruhig fort, »aber die ersten Male ist es seltsam … als würde man etwas essen, was man für ungenießbar gehalten hat.«
    Auf einmal erinnert sich Saga, wie es war, als sie einen anderen Menschen tötete. Sein Blut spritzte in schnellen Schüben auf einen Birkenstamm. Obwohl es im Grunde nicht mehr nötig war, feuerte sie noch einen

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