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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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Dienststelle, so fühlt sich der Sandner. Fünf vor acht tigert er unruhig auf dem blank gewienerten Gang vor den Büros hin und her. Nach und nach trudeln die Kollegen ein. Augenreibend, gähnend, Kaffeebecher in den Händen, schlürfen sie in den Besprechungsraum. Mancher noch im Genick gepackt vom veritablen Kater.
    Dem Sandner grummelt der Magen vor Nervosität. Er kann nicht einschätzen, ob seine Aktion den nüchternen Beamten nicht bloß als Zirkus daherkommt.
    »Auf geht’s«, sagt er zu laut und klatscht in die Hände, als die Eva erscheint. In Grün. Lebende Hoffnung.
    Ein Dutzend Menschen harren skeptisch – sein dreckiges Dutzend. Die Wiesner, der Hartinger und der Kare bilden ein tuschelndes Triumvirat. Daneben umgibt sich der Rückerl mit dreien seines Teams. Der Aschenbrenner und sein Hansi haben sich eingefunden, Wiesners hünenhafter Bodyguard nebst blondbezopfter Kollegin. Handverlesene Auswahl vom Sandner. Ein jeder, auf die eine oder andere Weise, mit dem Fall vertraut. Letzte leise Stimmen werden von beklommener Stille aufgesaugt.
    »Dankschön, dass ihr gekommen seid.« Der Sandner mustert die fragenden Gesichter.
    »Ihr seids hier, weil ... äh.« Einen Hilfe suchenden Blick wirft er zur Eva, rudert mit den Armen.
    »Also, ich bin die Eva Fuchs. Ich bin Psychotherapeutin«, sagt sie. Selbstverständlich klingt das. Der Sandner spürt den Blick der Wiesner auf sich, ohne sie anzuschauen.
    »Der Hauptkommissar Sandner hat mich gebeten, heute zu kommen. Es geht um den Tod von Dennis Weiß. Sie kennen aus der Polizeiarbeit den Begriff Rekonstruktion. Was wir machen werden, ist eine Aufstellung, eine menschliche Skulptur. Sie werden in Rollen schlüpfen, Stellvertreter sein und den Toten betrachten. Nur diese eine Szene. Wichtig ist, alles was Sie dabei empfinden, alles, was passiert, generiert uns nicht die Wahrheit, ist nur eine Arbeitshypothese, eine Vermutung. Was immer auftaucht. Wer sich nicht darauf einlassen will, kann das sagen. Okay?«
    Anders als beim Sankt Martin, teilen sich elf Leute einen Mantel, den des Schweigens. Wie in der Schule, vor dem Diktat, denkt sich der Sandner. Kruzifix. Da hat er ihnen zu viel zugemutet. Der Rückerl straft seine Gedanken Lügen.
    »Legen wir los!«, ruft er. »Ich bin gespannt.«
    Dankbar nickt ihm der Sandner zu.
    Dass sie den Platz in der Mitte brauchen täten, erläutert die Fuchs, und der Sandner solle jemanden aussuchen für die Rolle des Toten.
    »Die Leich? Von den Leuten hier?« Einen nach dem anderen nimmt der Sandner aufs Korn. Sein Blick wird vermieden, als könnte der Löcher ins Gewand brennen.
    »Ich nehm dich!« Entschieden deutet er auf den Hansi.
    »War eh klar«, murmelt der und grient unsicher.
    »Besser ist die Frage, darf ich Sie nehmen?«, verbessert die Fuchs. Die souveräne Konzentration, die sie ausstrahlt, könnte sich der Sandner bei Gelegenheit ausborgen. Nur ihre freundliche Mimik bräuchte er nicht. Für zünftige Ganoven muss der Polizist nicht im Narrengwand tanzen.
    Der Hansi schlappt nach vorn, die Hände in den Taschen.
    »Du bist also der Dennis Weiß. Leg dich bitte in der Mitte auf den Boden.« Der Bursch ziert sich ein wenig, bevor er der Anweisung folgt.
    »Wenn die Stellung in Ordnung ist, lassen Sie es so, ansonsten verbessern«, weist die Fuchs den Sandner an.
    Hansi legt sich endlich auf den Rücken, die Arme an den Körper gepresst, die Augen geschlossen.
    »Passt«, flüstert der Hauptkommissar. Er muss sich räuspern.
    »Also zu den Personen.«
    »Auerhammer Franz!«, blökt der Sandner, als tät er einen Zeugen aufrufen. »Magst du das machen, Kare?«
    Der Angesprochene tritt vor den Vorgesetzten hin. Nach Anweisung führt ihn der Sandner zur »Leiche« und baut sich hinter ihm auf. Er legt ihm die Hände auf die Schultern.
    »Du bist der Bauunternehmer Auerhammer. Verheiratet, vierundvierzig, keine Kinder ... doch, einen Sohn. Den Toten hast du finanziell unterstützt, damit er die Vaterschaft anerkennt für den Sohn von der Janine Fetzner. Die hast du geschwängert, bei einer Weihnachtsfeier, da war sie fünfzehn. Jetzt ist sie verschwunden. Du bist Mitglied einer Stiftung ...« Während der Sandner weiterredet, merkt er, wie Kares Atmung sich beschleunigt. Seine eigenen Hände werden schweißig, er zieht sie weg.
    Die Fuchs starrt ihn einen Moment lang verblüfft an. Tuscheln aus den hinteren Reihen. Nachdem der Kare keine weiteren Informationen mehr braucht, sucht sich der Sandner die übrigen

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