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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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heißt, da achtet jemand ganz fürsorglich drauf, dass der Sandner gleich ein Zaumzeug bekommt im Fall Weiß. Sicher ist sicher. Und zur Not, die Neunschwänzige. Infrage will man ihn stellen, verunsichern, mach nix, was uns nicht gefällt, sonst nageln wir deine Ohrlöffel an die Wand – nur, von wem geht das aus? Und wie geschwind das vorangeht, schon beeindruckend, innerhalb eines Tages durch das Haus bis zum Polizeirat.
    Der Wenzel hängt mit drin, sein Auftritt heut Morgen und sein Gefasel bei der Leich vom van Leyden, da hat er gespürt, woher der Wind weht.
    Der Sandner geht in die Küche und greift sich eine Flasche alten Rioja, Gift für den lädierten Schädel, aber Ambrosia für den Geist. Ein 1994er, da reicht es, wenn du ihn erschnupperst, damit du grinsen musst, als würde dich eine Gesichtslähmung packen. Genau das, was er jetzt brauchen kann. Arriba – abajo – al centro – adentro!
    Während er mit dem Flaschenöffner hantiert, fällt sein Blick auf den Mülleimer. Vielleicht war das Präsent vom Staatsanwalt, Schnapspralinen, das tät pfeilgrad passen.
    Salud, Björn!
    Als die Wiesner wieder in der Hansastraße ist, erlebt sie eine böse Überraschung. Die Vernehmung des Herrn Sobotnik fällt aus, mangels Objekt der Begierde. Der Bursch ist nicht schuldbeladen ausgebüxt, wie es ihr am liebsten gewesen wäre, sondern mit erhobenem Kopf wieder rausmarschiert. Allerdings in Begleitung des Doktor Waldach, seines Zeichens hochbezahlter Strafverteidiger mit Faible für opereske Auftritte. Wieso war der hier aufgetaucht, und wie kann sich der Bursch das leisten? Überall um sie herum nur ratloses Achselzucken. Da hätte sie rumgehen und einen Sack Schuldbewusstsein füllen können. Das ist ja allzeit entspannend, wenn du wen hast, den du ordentlich zammputzen kannst. Selbst wenn er vorher ein reines Gewissen hatte, kann man ihm das eigene Unbehagen in den Rucksack packen, wo es sich verlässlich einnistet. Beliebt sind Sätze, die eigenständiges Denken, alternativ Engagement und Handeln infrage stellen, verbunden mit Einschätzung geistiger Kapazitäten im IQ-Bereich vom Gänseblümchen.
    Die Wiesner tobt durchs Büro, bis jedweder, mit Ausnahme der traurigen Yuccapalme, in wichtige Aufgaben vertieft scheint. Die Tanztruppe vom Nationaltheater inszeniert Büroarbeit. Gekrümmte Rücken und wackelnde Köpfe allüberall.
    Dabei ist es nur ein Teil der Wahrheit, dass der Doktor Waldeck ihnen den Advokatenmarsch geblasen hat. Der Sobotnik war nicht verhaftet gewesen, der brauchte keine geschlagenen zwei Stunden abzusitzen und bekam nicht einmal einen Becher dünnen Pulverkaffee angeboten. Vernommen hat ihn niemand, das wollte ja die Kommissarin erledigen. Einfach vergessen haben sie ihn, bis er sich verdrückt hat. Servus, dann eben ein andermal.
    Aus dem Ruder läuft die Sache. Den Sandner hauen sie nieder, die Verdächtigen spielen Katz und Maus, und die Theorien und Hypothesen behakeln sich im Minutentakt. Sie kann es an den Mienen vom Hartinger und dem Kare sehen, die gerade auftauchen – Zufriedenheit kommt anders daher.
    Wie sie dann zusammensitzen im Büro, schaut es mehr nach Kriegsrat aus denn nach Auswertung von Ermittlungsergebnissen.
    »Wie wär’s mit was zu essen?«, schlägt der Kare vor.
    Die Wiesner sieht den van Leyden vor sich, wie er da liegt mit entblößtem Arsch und Socke im Mund. Das wird eine Weile brauchen, bis sie das Bild wieder los ist. Vielleicht wird man es auch gar nicht mehr los, es liegt nur im großen Stapel bald nicht mehr obenauf. Ihre männlichen Kollegen tun sich da anscheinend leichter, sich den nackten Tatsachen von der technischen, abstrakten Seite zu nähern. Auch wenn sie sich eine Hornhaut aus Zynismus zugelegt hat, irgendwann kommt die Lanze doch durch, wie beim Siegfried. Und wenn einer so daliegt, verreckt, gedemütigt, gebrandmarkt, dass du es keinem Viech wünschst, möchtest du dir einfach einen Moment die Decke über den Kopf ziehen, und dunkel wird es und stad.
    »Pizza wär ned schlecht«, sagt sie.
    »Super Idee!« Hartingers Euphorie klingt ausgeborgt. Wo er das Geschehen hinpackt, wissen die Götter. Ein jeder hat sich seinen Rucksack selbst genäht.
    »Gut, dass ich Sie beieinander hab. Was Gutes zu essen könnte uns allen nicht schaden, was?« Ein leutseliger Staatsanwalt ist gegenüber einem überkorrekten allenfalls die zweite Option. Hereingeschlichen, wie ein Wiesel in den Stall.
    »Herr Staatsanwalt«, beginnt die Wiesner sofort, als

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