Der Sandner und die Ringgeister
Plüschtiere, Duftlampen, Häkeldeckchen, Vasen, Moriskentänzer aus lackiertem Gips und Plastikorchideen. Wenngleich es keinen freien Fleck gibt, hat der Sandner nicht den Eindruck, das Zeugl wäre gedankenlos hingeschmissen. Das Ordnungsprinzip hält sich zwar bedeckt, aber nichts ist staubig oder gschlampert. Alles scheint einen angestammten Platz zu haben. Als hätte die Frau ihre Schutzheiligen versammelt oder müsst sich vergewissern, dass im Leben noch etwas existiert, das einfach nur eine Zierde sein darf und hübsch und naiv, nichtsnutzig, bloß eine Illusion. Bunte Fetische gegen das Saufen, das Abrackern und das Eingesperrtsein. Ein Bügelbrett ist aufgebaut, mit zerschlissenem Bezug, daneben in einem hellblauen Plastikwännchen die aufgeschichteten Karohemden vom Lehnharter. Ihn schaudert es.
»Gemütlich ham Sie’s da herin«, schwindelt er.
Die Lehnharterin sagt nix, schaut nur auf ihre gefalteten Hände im Schoß.
»Sie haben sich doch sicher Gedanken gemacht, wer das gewesen sein könnte – und warum«, beginnt der Polizist.
»Mei«, kommt es leise, »warum macht einer so was? Da kannst du nicht neischauen, in die Leut.«
»Vielleicht nehm ich doch eine Tasse Kaffee, wenn’s keine Mühe macht«, sagt der Sandner. Es redet sich besser, wenn die Frau Lehnharter etwas zu schaffen hat. So hockt sie vor ihm, gleich paralysiertem Elend. Sie fährt erleichtert hoch und hantiert mit der Kaffeemaschine.
»Was ist mit Ihrem Kopf passiert?«, will sie wissen.
»Halb so wild, ned aufgepasst hab ich.«
Sie stellt zwei Tassen mit Blümchenmuster auf den Tisch und eine Dosenmilch. Löffel, Zuckerstreuer, Untersetzer, alles holt sie einzeln. Die Maschine schnauft asthmatisch.
»Nehmen Sie Zucker, Herr Sandner?«
»Nein, dankschön, das hab ich mir abgewöhnt.«
»Ist gwies gsünder.«
»Ja, man wird ned jünger, da muss man schon a bisserl schaun.«
»Da hams recht.«
So könnt das jetzt weitergehen, mit der Litanei, bis entweder der Lehnharter zur Tür hereinstapft oder dem Sandner der Kaffee bis zum Kragen steht.
»Wollens ein Stückerl Nusszopf dazu?«
»Na dankschön. Den backen Sie selber, gell?«
»Ja, aber der muss weg, er ist schon ein bisserl mürb.«
Der Sandner nimmt sich dann doch ein Stück.
Beide essen schweigend. Minutenlang.
Er hört auf das Ticken der Küchenuhr, deutet kauend auf ein Bild an der Wand. Ein junges strahlendes Paar, im Hintergrund Wald, er in Jeans, sie im Dirndl.
»Da warens noch jünger.«
»Zwanzig Jahr her, in Freyung simmer gewesen. Schee war’s. Wie die Zeit vergeht.«
Er nickt mit vollem Mund. Die Kaffeemaschine hat ausgeröchelt.
Sie steht auf und holt die Kanne, schenkt die Tassen voll.
»Da merkt man glei, dass Sie vom Fach sind, Einschenken immer von rechts. Die Frau, Rindsbacher hat mir ja erzählt, dass Sie im Hotelgewerbe waren.«
»Die Rindsbacherin«, schnaubt die Frau, und der Sandner weiß nicht, ob sie die hauseigene Ratschkatl fuchst oder sie einfach nur ein Echo gibt.
»Des ist lang her, fünfzehn Jahr scho.« Sie setzt sich wieder.
»Da hams bestimmt eine Menge erlebt.«
Ein kleines Lächeln huscht über ihr Gesicht. Das darf nicht lang verschnaufen, gleich wird es von der starren Miene davongejagt.
»Ja, was glauben Sie.«
»Wenn ich mir vorstelle, ich wäre kein Polizist mehr – das tät mir arg fehlen.«
Seufzen. »Geht halt nicht. Da wart ja keiner auf dich, mit Handkuss und rotem Teppich – in meinem Alter und mein Mann ...« Sie stoppt abrupt ihren Redefluss und schenkt ihm die Tasse noch einmal bis zum Rand voll. Die Hand zittert.
Der Sandner blickt an ihr vorbei. Ein Moriskentänzer mit verzerrtem Gesichtsausdruck springt ihm ins Auge. Endlose Mühsal scheint auf den Zügen zu liegen, der Körper für immer verrenkt und überdehnt. Leidensgrimasse. Er beäugt lieber wieder die Spitzmaus.
»Ihrem Mann tät’s nicht taugen, wenn Sie wieder arbeiten?«
Ihre Lippen presst sie zusammen. Auch eine Antwort – geht dich nichts an, Sandner.
»Jemand hat Ihnen den Keller aufgebrochen und einen Kasten Bier gestohlen. Wissens des? Da war Ihr Mann wahrscheinlich ganz schön angefressen?«
»Ja, scho – des hat er gsagt mit dem Keller.«
Der Themenwechsel verwirrt sie.
Der Mann schaut ihr ins Gesicht.
Ihre Augen sind auf die Zuckerdose gerichtet, als tät von dort seine Stimme kommen.
»Na ja«, sagt er leichthin, »wenns mich fragen, ist auch mal nicht schlecht, wenn Ihr Mann das Bier ein bisserl teilen muss. Schadet
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