Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
Vom Netzwerk:
Hinterkopf. Massiver Schlag, Impressionsfraktur höchstwahrscheinlich. Fremdeinwirkung ist anzunehmen. Man fesselt sich nicht und haut sich den Hinterkopf ein danach, wenn man nicht Houdini heißt und Entfesselungskünstler ist. Schlangenmensch schließen wir aus.« Der Schädlinger lacht meckernd, berauscht vom eigenen schalen Witz. Zwischen den Grabsteinen tönt es wider.
    Wenn man Sandner heißt und es früh am Morgen ist, möchte man das Zickengeblöke ohne Umstände zurück in den Schlund stopfen. Der Doktor wandelt auf schmalem Grat. Auf Sandners Nerven probiert er das Geigespielen.
    »Mordwaffe? Und die Schnitte am Körper?«, fragt der knapp.
    »Schwer zu sagen, vor Ort gefunden wurde nix Passendes. Eine Eisenstange, ein Hammer, stumpfe Seite von einem Beil, das wäre die richtige Hausnummer. Große Wucht, auf jeden Fall. Und das Pentagramm? Nicht tödlich, oberflächige Schnitte, filigran in die Subcutis geritzt. Übrigens – sieht so aus, als ob da Schmuck an der rechten Brustwarze fehlt, könnte rausgerissen sein. Und – erster Eindruck für die Verletzungen – postmortal.«
    »Ach so? Und wann ist er ungefähr gestorben?«
    »Ist noch nicht lang her, zwischen drei und vier, genauer kriegen Sie es ja noch, sehen Sie, weil wenn Sie ...«
    Er beugt sich über die Leiche und dreht sie schnaufend zur Seite.
    Der Blick vom Sandner geht gen Himmel, Regentropfen zerplatzen auf seiner Haut. Er presst die Augenlider zusammen. Froh ist er, dass er die Nässe spüren kann – dass er überhaupt spüren kann. Seine Tochter Sanne und all die anderen, die er gern hat, sie könnten genau so den Regen fühlen, gerade jetzt. Er malt sich aus, wie sie ihre Köpfe in den Schauer recken und lachen, sich narrisch freuen an der Lebendigkeit. Nie möchte er jemanden so anschauen müssen, für den er etwas empfindet, den er lieb hat – so hingeschmissen, zum Kadaver gehauen, das Hirn bloßgelegt, filigran in die Subcutis geritzt. Verreckter Scheißdreck!
    Diesen kurzen Moment hat er aussetzen müssen, bis er wieder als Ermittler mitwürfeln kann. Ihn fröstelt.
    Die knarrende Stimme vom Schädlinger dringt schon wieder zu ihm durch, »... und ob der hier die tödlichen Schläge bekommen hat, ist schwer zu sagen, weil bei dem Regen und der frischen Erde – vielleicht könnte man die abtragen und die Blutsättigung der Erde ...«
    »Es reicht, wenn die Spusi feststellt, dass der in einer Plane hergeschleppt wurde.«
    Die Frau vom Erdlinger Sepp! Wenn sie noch in der Graberde wühlten, könnten sie die gleich reinlegen, wegen dem Gram.
    Er hat nie gern Leichen angeschaut, anfassen tut er sie nicht. Da hat er als niegelnagelneuer Polizist ein traumatisches Erlebnis gehabt.
    Wie er da nach einer Meldung zu einer mutmaßlichen Leiche hingefahren ist. Sendling, sozialer Wohnungsbau, wo sich dumme Klischees vordrängeln, wie die Wildschweine bei der Sauschütt, wenn’s Eicheln frisch vom Baum gibt.
    Da hat unser junger Sandner schon beim ersten Gekritzel im Hauseingang, »Tomas ist ein Hurenson«, die Schublade im Hirn aufgemacht, das war alles säuberlich sortiert. Nur will die Wahrheit oft vom bösen Schein nichts wissen, wie der Sandner hier exemplarisch lernen durfte, fürs Leben.
    Seit einer Woche hat sie aus der Wohnung unter ihr niemanden mehr gesehen, hatte die Nachbarin gesagt, der Hausverwaltung wär es wurscht gewesen, aber es würde schon komisch riechen.
    Die Feuerwehr hat flockig die Tür aufgestemmt, und er, ganz naseweiser Frischling, SEK gespielt – gleich rein in die Wohnung. Ein Gestank, barbarisch, dass er sofort loskotzen hätte können.
    Im Nebenzimmer hat ein Mensch nackt auf einer fleckigen Pritsche gelegen. Ein schwammiger Kerl mit blasser Haut und Halbglatze.
    Der Sandner, gleich hin und beugt sich drüber. Er hat geglaubt, der liegt da schon Minimum eine Woche. Hat sich auch nix gemuckst oder geschnauft. Wenn der Sandner mehr Erfahrung gehabt hätte mit dem Sterben oder aufmerksamer hingeschaut – es wäre wahrscheinlich anders gekommen. Dann hätte dem jungen Polizisten vielleicht das Fehlen von Leichenflecken oder sonstigen Insignien, mit denen das Ableben so einhergeht, auffallen können.
    An die Decke gestarrt hat die Leiche, mit getrübten Linsen und einer Vorhangkordel um den Hals. Aber urplötzlich fährt sie hoch und packt ihn beim Schlafittchen.
    Den Schrei vom Sandner hat man noch vier Straßen weiter hören können.
    Asphyxia erotica hat ihn der Aschenbrenner später schmunzelnd

Weitere Kostenlose Bücher