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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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ihr denkt.«
    »Der Auerhammer hat mir geflüstert, seine Frau könnt keine Kinder kriegen. Sie hat dabei ausgesehen wie der Ätna höchstselbst. Gebrodelt hat es in ihr, aber ausgebrochen ist sie nicht. Kein Protest von ihr. Könnte bedeuten, sie hat gewusst, dass er einen kleinen Kevin hat. Und ihre Stiftung, ihr guter Name wär Geschichte, wenn das rauskommt. Ein Motiv?«
    »Ohne die Giese hätte der Auerhammer das nie alleine durchziehen können«, merkt die Wiesner an, »das glaub ich nie und nimmer. Und sie und das Heim wären fällig gewesen, wenn der Bursch geplaudert hätte. Motiv Nummer zwei.«
    »Bleiben die Fendts, die ham das bestimmt gewusst. Verbandelt mit dem Auerhammer, der Stiftung und loyal. Wie weit geht die Loyalität?«, meint der Hartinger.
    »Wär noch die Janine. Wohin ist die entschwunden? Da hab ich gar kein gutes Gefühl. Die Fendts, die Giese und die Frau Auerhammer laden wir uns morgen vor«, schließt der Sandner. »Ab halb zehn. Um spätestens acht seid’s bittschön alle hier. Ein paar Leut kommen dazu, die verständig ich noch.«
    »Fallanalyse?«, will der Kare wissen.
    »Könnt man so sagen. Lasst euch überraschen.« Der Sandner bleibt kryptisch. Er wünscht sich, er könnte den Enthusiasmus seiner Mitarbeiter teilen.
    Die Köpfe reden sie sich heiß, über mögliche Verdächtige und Verstrickungen, während es hinter seiner Stirn zu pochen anfängt. Ganz langsam, beinahe unmerklich, hat der Schmerz eingesetzt, als der Auerhammer noch am Haken hing. An Verletzungsfolgen glaubt der Polizist nicht. Den Kopf hat er sich buchstäblich zerbrochen über die Geschichte. Aus dem Schreibtischschub holt er sich zwei Aspirin und spült sie mit Kaffee hinunter. Er wirft einen Blick aus dem Fenster. In knapp zwei Stunden soll er den Lucky treffen.
    »Servus mitanand«, sagt er und steht auf.
    Drei Augenpaare folgen ihm, wie er gemächlich aus dem Büro hatscht. Verdattert ist das Trio, bezüglich seines spontanen Aufbruchs. Da hat es die Zeit wieder eilig gehabt. Der Sandner scheint pro Tag um ein Jahr zu altern. Wenn es in dem Tempo weiterginge, könnte er zum Monatsende in Pension, zuzüglich Schwerbehindertenausweis.
    Die U-Bahn vom Heimeranplatz nimmt er, um zum Hauptbahnhof zu kommen. Nach Giesing muss er dort umsteigen.
    Allenthalben leere Gesichter um ihn herum. Im Gedrängel schieben sich die Leut automatisiert voran, couchreife Afterwork-Zombies. Ausgelaugt und -gelutscht kommen sie daher. Fahl, blutleer, in stickigen Büroetagen permanent zur Ader gelassen, bis zum Ausstempeln. Firma Schröpfschnepper & Söhne.
    Genauso sehen sie mich, denkt er. Nur mit einer depperten Wollmütze dazu. Sein Sahnehäubchen. Praktizierender Individualist oder Narrenkappenträger? Die richtige Antwort befriedigt ihn keineswegs. Der nächtliche Hormonzuwachs scheint sich im marginalen Bereich bewegt zu haben. Allerhöchstens für durchblutete Bäckchen beim Morgenkaffee hat er gesorgt. Die Sonne im Herzen ist untergegangen. Bewölkt, sagt der Wetterbericht für morgen voraus.
    Um den depressiven Habitus auf die Spitze zu treiben, versucht der Sandner, zu Hause die Sanne zu erreichen. Diesmal spricht er auf den Anrufbeantworter.
    »Ich hab mir einen Dackel zulegen müssen, zwecks Vereinsamung.«
    Bei ihrem letzten Besuch in München hat sich die Sanne über Dackelbesitzer echauffiert. Wie die Kinder täten sie ihre Viecher verhätscheln. Stattdessen sollten sie sich lieber für echte Kinder engagieren, ehrenamtlich.
    Der Sandner hat gemeint, dass seines Wissens, statistisch gesehen, Übergewicht bei Zwergerln aktuell ein Problem wäre. Das fehlte gerade, eine exzessive Tortenmast. Die Konditorzunft tät es freuen.
    Und da die Sanne nicht aufhören konnte, darauf herumzuhacken, wie die Krähe auf die halbtote Feldmaus, hat er ihr Rassismus vorgeworfen. Dackelfeindlichkeit. Ausrutschen tät sie auf ihrem sahnigen Klischee. Ausgrenzen tät sie die Zamperl-Liebhaber, ächten als unsoziale Schmarotzer. Dabei gäb’s das ja ab und an, dass die Leute die Exkremente ihres drolligen Lieblings vom Grün klaubten auf den Spielplätzen. Wenn das Viecherl nicht gerade Durchfall von der Trauben-Nuss-Schokolade hätte. Das wär ein selbstloses Engagement.
    Der Sandner weiß, dass die Mutter von Sannes Wiener Würstel einen Rauhaarrüden ihr Eigen nennt. Der Rundumschlag seiner Tochter ist Tribut an das mitunter spannungsgeladene Verhältnis zur Froschmama gewesen. Ihm hätte sie das zuletzt eingestanden. Da hätte er

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