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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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aschblonden Wimpern blitzten saphirblaue Augen. Die Brauen waren so hell, daß man sie kaum sah, und unter der Mütze, halb in die schmale weiße Stirn, quoll ein üppiger Busch aschblonden Haares, das sich im Wind wie seidener Distelflaum rührte. Der Kopf saß auf einem schmalen zurückgeworfenen Nacken, der Rücken gab wie eine feine ausgeprobte Feder jedem Stoße nach, und die schlanken Beine streckten und bogen sich, die Balance wahrend, mit gutgeschulter Geschicklichkeit. Es gab nichts andiesem lichten Fremden, das Daûd entging, und wenn er jetzt auch allmählich außer Atem kam, lief er opfermütig weiter und achtete dessen nicht.
    Nun hatte der andere ein Einsehen und schrie, indem er am Zügel riß: »Stop!« Daûd schrie wild: »Hush!!« worauf der Esel hielt. Der englische Junge saß ab; sie befanden sich vor der nordwestlichen Sphinx-Allee.
    Am Eingang des ersten Pylons langweilte sich der nubische Tempelhüter, ein knochiger, großer Gauner, der die von der Regierung ausgegebene Eintrittskarte zu sehen begehrte. Der kleine Fremde besaß eine solche nicht und war ein wenig ratlos gegenüber den ungeschlachten Gebärden des Nubiers. Ja, er wollte schon mit wegwerfender Schulterbewegung vom Eintritt abstehen ... da aber rettete Daûd die Situation, indem er dem Nubier im bilderreichsten Vulgärarabisch zu verstehen gab, daß der Vater dieses Gentleman ein großer Pascha sei, den eine Behelligung seines Sohnes zu verheerenden Wutausbrüchen reizen werde; ein Pascha, der die Regierung in der Tasche habe, ja, die Regierung selber sei, und demgemäß einen schweren Tabak rauche. Der kleine Engländer hörte diese Verhandlung, von der er kein Wort verstand, lächelnd mit an; und mochte es nun Daûds Zungenfertigkeit oder dies Lächeln sein: der Nubier räumte wie eine besänftigte Bulldogge den Platz. Er blickte den beiden nach, wie sie frisch in den Großen Hof hineinschritten, und in der Bewegung, mit der er seine schwarzen Kinnstoppeln strich, war jene plumpe, täppische Güte, diejeder Orientale Kindern gegenüber zeigt, weil er zeitlebens selbst ein Kind bleibt.
    »Ich danke dir, du bist ganz nett«, sagte der Fremde plötzlich und gab Daûd einen kleinen Schlag auf die Schulter.
    »Hat nichts auf sich!« erwiderte Daûd gewandt und senkte glücklich den Kopf. Dann belebte er sich und rannte voraus. Im großen Säulensaal hielten sie inne und ließen sich zwischen zwei Fundamenten nieder.
    Der mächtige zylindrische Sandstein türmte sich zu erhabener Höhe. Die hundertvierunddreißig Säulen, vom Frieden einer kolossalen Symmetrie durchsonnt, standen starr um sie her, und der kleine Blick kletterte zag an ihnen empor bis dort hinauf, wo sich die Wucht in der edlen Lotosform der Kapitäle löste und das Blau, abgeblendet durch lastenden, von der Minierarbeit der Jahrtausende brutal zersprengten Quadern, reich wie ein Baldachin schimmerte.
    Der kleine Fremde ließ seinen Blick behaglich an den buntgerippten Symbolen hinaufwandern, von denen die Säulen bedeckt waren, und dann, sich trotz seinem weißen Anzug behaglich dehnend, meinte er: »Hier ist es hübsch! Bist du oft hier?«
    »Nein«, sagte Daûd abwehrend. »Hier gibt es Geister.«
    Der andere schlug eine kleine Lache auf und zerquetschte eine Mücke auf seiner Wade. »Unsinn«, sagte er. »Es gibt keine Geister.«
    Daûd, gekränkt, erwiderte nichts. Nach einer Weile fuhr jener fort: »Wie heißt du?«
    »Daûd-ibn-Zabal. – Und wie heißen Sie?« Das »Sie« deutete er durch eine vorsichtige Betonung des »you« an.
    »Percy Aldridge.«
    »Aldridge«, wiederholte Daûd sinnend. Der weiche Klang des Namens machte ihm Wohlbehagen. Er wiederholte den Namen noch zweimal für sich, um ihn genau zu merken, und Percy blinzelte ihn von der Seite an.
    »Deine Betonung ist leidlich«, meinte er. »Wie alt bist du?«
    Daûd besann sich krampfhaft, darüber hatte er noch kein Buch geführt. Auf gut Glück riet er das Richtige.
    »Just so alt wie ich. – Lebt dein Vater hier und verdienst du viel?«
    Daûd ward unbefangen diesem energischen Examen gerecht.
    »Mein Vater arbeitet auf dem Feld. – Und was«, fügte er ehrfürchtig und neugierig bei, »ist das ehrenwerte Gewerbe des deinen?«
    Percy dachte ein wenig nach, wie er den Begriff mundgerecht machen sollte, denn die offizielle Bezeichnung würde dieser kleine Fellache wohl kaum verstehen. Was weiß der Esel vom Ingwer und der Bauer vom Apfelessen? – Schließlich formulierte er es so: »Er hat

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