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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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früher eure Kanäle gemacht, nun ist er zum Vergnügen hier.«
    »So ist es,« sagte Daûd, »also früherer Beamter im Irrigation-Department und jetzt Tourist.« Percy setzte sich auf, mit offenem Mund und sah ihn verblüfft an. »Du bist ja verteufelt schlau!« sagte er endlich und ließ eine gesteigerte Achtung erkennen. »Wer hat dir das verraten?«
    »Ich kenne doch eure Titel,« sagte Daûd geschmeichelt, »ich war vier Jahre bei den Patern.«
    »Dann weißt du mehr als die anderen Schwarzen!« – – – Eine Pause entstand.
    Percy kaute an einem Halm und dachte an nichts. Als er Daûd ansah, bemerkte er, daß dessen Gesicht verändert war, ja das kleine hellbraune Gesicht litt. Die schwarzen Wimpern hatten sich gehoben und ließen einen glühenden Blick durch; die Mundwinkel bebten schlaff, und die kindliche glatte Stirn war in Falten zerlegt: ja, so war es, und Percy verwunderte sich.
    Mit der Zeit milderte sich der Trotz der dunklen Augen, wiewohl noch ein zorniges Gewitter auf dem Gesichte stand. In Percys kühlem Antlitz regte sich kein Zug; er beobachtete jetzt ohne weitere Verwunderung die fremdartige Mimik und spuckte endlich den Halm gleichmütig auf die Seite. Die Knaben saßen sich gegenüber wie reglose Puppen: Nein, nicht zwei Knaben waren das: zwei Rassen kreuzten die Blicke, diese in unantastbar ruhigem Stolz, mit eisiger Selbstliebe, jene weich und leidenschaftlich jäh, mit schwer verletzter kindlicher Eitelkeit, doch schwach und nur eines Hasses fähig, der aus den Augen spricht.Daûd hielt nicht stand und schluckte die Beleidigung wortlos hinunter. So kam es nicht einmal zur Sprache, was ihn so verletzte, nämlich von einem, dem er sich gleichzustellen trachtete, und dessen Anblick ihm berückende Rätsel aufgab, mit der Bezeichnnug »Schwarzer« plötzlich wie mit einem Fußtritt degradiert zu werden. –
    Percy inzwischen ging unbefangen weiter, durch den Mittelhof in den Tempel des Mittleren Reiches. Er stellte sich auf die Brust einer geborstenen Statue, stemmte die Hände in die Hüften und sah sich um. Ein Kolkrabe schwang sich über das sonnenübergossene Trümmerfeld, und die Schwalben schossen um die Gesichter der Könige, die mit ihren Porphyraugen, die Hände klotzig auf die Knie gebettet, durch die Jahrtausende starrten. Percy stand wie ein kleiner leuchtender Fleck in dem gigantischen Zerfall. Dann sprang er auf den Weg herab und ließ sich von Daûd bis ans Ende begleiten, bis dorthin, wo alles sich in Schutt verlor und einsame Eidechsen zwischen den dürren Grasbüscheln raschelten.
    Sie setzten sich nun wieder und blickten selbander in die leere Mulde des Heiligen Sees herab.
    Und jetzt, während er in die sonnenflimmernde Weite starrte, erinnerte sich Daûd plötzlich, oder es ward ihm dunkel so, als habe vor Jahren, an ähnlicher Stelle, eine Stimme zu ihm gesprochen: »Warte nur eine Weile, Daûd, dann komme ich !« – Und weiter ward ihm zumute, als lebe diese Stimme jetzt wiederauf, als habe der, dem sie gehöre, Fleisch und Bein gewonnen und trete in einer Gestalt vor ihn hin, der er sich nach hilflosem Widerstreben und dann bereitwillig unterwerfen werde und müsse.
    Percy saß reglos voll hübscher Besinnlichkeit, die Arme um die Knie geschlungen, neben ihm, offenbar hatte er den Eseljungen für eine Weile ganz vergessen; und Daûd, darob beschämt und mißmutig, bemühte sich, in sein schmutziges Hemd gewickelt, die Gedanken zu erraten, die fremden Ideengänge, die Inglîzpläne, die hinter der weißen Stirn ihr Wesen treiben mochten, und die von den seinen so staunenswert abwichen. Daûds Gesicht ward in der Hitze der verstohlenen Beobachtung, in der er, wenn auch hoffnungslos, ein dumpfes Glück fand, schier dumm ...
    Auf einmal fuhr Percy so schnell herum, daß Daûd fast erschrak, und fragte ihn scharf musternd: »Was hast du da eigentlich für einen scheußlichen Klumpen im Haar?«
    »Das ist ein Amulett«, erklärte Daûd artig und schnell. »Es ist eine Pasta gegen den Bösen Blick. Ich trage es seit meiner Geburt.« Und er zerrte unter seinem Hemd noch anderes hervor: eine lederne Kapsel mit Erde vom Brunnen »Semsem«, ein Herzamulett aus Agath an einer Kette und einen blau glasierten Fayencegegenstand, der fünf Löcher hatte. »Das sind fünf verhütende Finger!« dozierte er und streckte die gespreizte Hand vor. »Das ist alles gut; besonders an diesem Ort –« Und er sah sich scheu um.»Und das «, schrie Percy und sprang auf, »schleppst du schon

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